PROGRAMM AM LETZTEN AUSSTELLUNGSWOCHENENDE
Alle Ausstellungsorte
02.10 – 03.10
Der Ausstellungsparcours der ersten Biennale für Freiburg geht dieses Wochenende zu Ende. An den letzten zwei Ausstellungstagen bieten wir nochmals Führungen an und laden zum gemeinsamen Ausklang der BfF#1 am Münsterplatz.
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02.10.2021 – 03.10.2021 / Alle Ausstellungsorte
ABSCHLUSS DER BIENNALE FÜR FREIBURG #1
Der Ausstellungsparcours der ersten Biennale für Freiburg findet allmählich sein Ende. Bis kommenden Sonntag können die acht Ausstellungsorte ein letztes Mal besucht werden.
Am letzten Ausstellungswochenende bieten wir Führungen an, bei denen wir nochmals über die Ausstellung ins Gespräch kommen können. Am Sonntag können sich Kinder und Jugendliche im Besuchszentrum eine kleine Erinnerung an die BfF#1 knüpfen. Die letzte Tour durch den Ausstellungsparcours wird Dorothee Annette Kreuzer gemeinsam mit Leon Hösl führen und dabei den Fokus auf die Bereiche der Stadt richten, die zwischen den Ausstellungsorten liegen und die Frage aufwerfen: Wem gehört die Stadt? Abschließend laden wir zu einem informellen Ausklang der Biennale für Freiburg #1 am Sonntag ab 18 Uhr in und vor unserem Besuchszentrum am Münsterplatz ein.
PROGRAMM AM LETZTEN WOCHENENDE
Samstag, 02.10.21 / 14:00 Uhr
SPAZIERGANG DURCH DIE AUSSTELLUNG
Führung mit Marie Klauder durch die Ausstellungsorte Kunstverein und Kaiserwache, Treffpunkt: Kunstverein, Dreisamstr. 21
Dauer: ca. 1 Stunde
Sonntag, 03.10.21 / 12:00 Uhr
TOUR DURCH DEN AUSSTELLUNGSPARCOURS MIT DEM FAHRRAD
Führung mit dem künstlerischen Leiter Leon Hösl
Wem kein eigenes Fahrrad zur Verfügung steht kann gratis ein Frelo-Fahrrad mit der "Next Bike App" ein Fahrrad leihen (Stationen befinden sich in der Nähe der Ausstellungsorte). Gutscheincode: 654565.
Treffpunkt: DELPHI_space, Emmendingerstr. 21
Stationen: DELPHI_space, Stadtgarten, Pförtnerhaus, Kommunales Kino, Museum für Neue Kunst
Dauer: ca. 2 Stunden
Sonntag, 03.10.21 / ab 11:40 Uhr, Parallel zur Führung
BEST FRIENDS FOREVER: KINDER- UND JUGENDPROGRAMM
Freundschaftsbänder knüpfen mit Kindern und Jugendlichen im BfF-Besuchszentrum, Münsterplatz 6.
Dauer: ca. 2 Stunden
Sonntag, 03.10.21 / 15:30 Uhr
PARCOURSWALK "FLEXEN UND FRAGEN: WEM GEHÖRT DIE STADT?"
mit Dorothee Annette Kreuzer und Leon Hösl
Treffpunkt: Pförtnerhaus, Fabrikstraße (Brauerei Ganter)
Dauer: ca. 2 Stunden
Sonntag, 03.10.21 / ab 18:00 Uhr
AUSKLANG DER BfF#1 MIT BIER UND BREZELN
BfF-Besuchszentrum am Münsterplatz 6
OPEN STUDIO #4: Belinda Kazeem-Kamiński
[...]
29.09 / 19:30
Vierte Durchführung des OPEN STUDIO, in dem Künstlerin Belinda Kazeem-Kamiński Einblicke in ihre künstlerische Praxis gibt.
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29.09.2021 / 19:30 / [...]
Mittwoch, 29.9.2021, 19:30 Uhr
Die Veranstaltung findet online per Zoom statt.
Zoom-Link: https://us02web.zoom.us/j/87376371883
Das OPEN STUDIO versteht sich als Einladung zur gemeinsamen Reflektion über künstlerische Prozesse – es stellt das Unfertige, das im Werden begriffene in den Mittelpunkt. Die ‚Öffnung‘ des Studios wird dabei nicht in erster Linie als physisches Öffnen eines privaten Arbeitsortes verstanden, sondern als das Eröffnen eines (Denk-)Raums, der eine Austausch über künstlerische Produktionsweisen ermöglicht.
Im vierten und letzten OPEN STUDIO wird Belinda Kazeem-Kamiński über ihr fortlaufendes Projekt LIBRARY OF REQUESTS sprechen, das unter Beteiligung von kollaborierenden Personen an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten umgesetzt wird. In der sechsten Ausgabe der LoR, die gemeinsam mit dem Kuratorium des Dear White People Festivals für die Biennale für Freiburg angelegt wurde und seit Juni in der Stadtbibliothek Freiburg zu finden ist, geht es um koloniale Kontinuitäten: Wie mit den stetig aufkommenden Re-Artikulationen kolonialer Gewalt umgehen? Wie eine Vergangenheit fassen, die nicht vergangen zu sein scheint? Von der LoR wird Belinda Kazeem-Kamiński eine Brücke zu ihrer filmischen Arbeit UNEARTHING. IN CONVERSATION (2017) schlagen, die sich mit dem Zusammenhang von Wissensproduktion und kolonialem Trauma beschäftigt.
LIBRARY OF REQUESTS #6:
Dagmar Yü-Dembsk: Chinesen in Berlin (2007), Resmaa Menakem: My Grandmother’s Hand: Racialized Trauma and the Pathway to Mending our Hearts and Bodies (2017), Cheryl Dunye: Watermelon Woman (1996), Emilia Roig: Why We Matter. Das Ende der Unterdrückung (2021), Robin Di Angelo: White Fragility (2018), Walter Rodney: How Europe Underdeveloped Africa (1972), John Coates & Tina Hetherington: Decolonizing Social Work (2013), Volker Seitz: Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann (2009), Michael Lüders: Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet (2015), Trân Tô Nga: Ma terre empoisonnée (2016), Cathy Park Hong: Minor Feelings. An Asian American Reckoning (2021), Ocean Vuong: Auf Erden sind wir kurz grandios (2019), Sault: Untitled (Black is) (2020), Nashi 44: Asian Berlin Pussy Power (2021), Blick Bassy: 1958 (2019), Rodrigue Péguy Takou Ndie: Die Suchenden (2018), Mame-Fatou Niang & Kaytie Nielsen: Mariannes Noires (2016), Theater X: Verlassen wir dieses Europa!, Oyeronke Oyewumi: The Invention of Women: Making an African Sense of Western Gender (1997), Peace Adzo Medie: His Only Wife (2020), Chinua Achebe: Things fall appart (1958), Elizabeth Acevedo: Clap When You Land (2020), Yaa Gyasi: Transcendent Kingdom (2020), Ondjaki: Die Durchsichtigen (2015), Djaimilia Pereira de Almeida: Luanda, Lisboa, Paraíso (2018), Djaimilia Pereira de Almeida: That Hair (2020), Leonor Teles: Ballade der Batrachia (2016), Azagaia: Só Dever (2019), Christina Sharpe: In the Wake. On Blackness and Being (2016), Grada Kilomba: Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism (2008), May Ayim, Katharina Oguntoye & Dagmar Schultz: Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte (2020), Katharina Oguntoye: Schwarze Wurzeln. Afro-deutsche Geschichte (2020), Kien Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai & Sheila Mysorekar: re/visionen – Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland (2016), David Olusoga & Caspar W. Erichsen: The Kaiser’s Holocaust. Germany’s Forgotten Genocide (2010), Natasha Kelly: Schwarzer Feminismus
– Grundlagentexte (2019), Rainer Fassbinder: Angst essen Seele auf (1974), Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Pesche & Susan Arndt: Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weißseinsforschung in Deutschland (2017), Karin Beese: Nelly und die Berlinchen (2019), Dayan Kodua: Odo (2019), Susan Arndt: Hornscheidt, Antje. Afrika und die deutsche Sprache – Ein kritisches Nachschlagewerk (2018)
BELINDA KAZEEM-KAMIŃSKI wurde 1980 in Wien, Österreich, geboren. Sie lebt und arbeitet in Wien. Von 2015 bis 2018 lehrte Kazeem-Kamiński an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo sie im Jahr 2020 im Rahmen des PhD-in-Practice zur Performativität von Schwarzsein in Verbindung zu österreichischer Kolonialität promovierte. Aktuell ist sie als Gastprofessorin an der KHM in Köln tätig. Sie erhielt den Catrin Pichler Preis der Akademie der bildenden Künste Wien (2018) und wurde mit dem Theodor Körner Preis für Kunst ausgezeichnet (2016).
MONUMENT IN THE MAKING: ROSA LUXEMBURG
Siegesdenkmal, Europaplatz
19.09 / 
11:00 – 20:00
Eine öffentliche Aktion von Luiza Margan.
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19.09.2021 / 11:00 – 20:00 / Siegesdenkmal, Europaplatz
Sonntag, 19. September, 11.00 Uhr bis voraussichtlich 20.00 Uhr
Ort: Beginn am Siegesdenkmal (Europaplatz), Ende im Stadtgarten
Der Freiburger Stadtgarten beherbergt eine Vielzahl von Denkmälern, jedoch keines, das an die pazifistische Rede Rosa Luxemburgs erinnert, die sie hier 1914 hielt. Eine entsprechende Petition wurde von der Stadtverwaltung abgelehnt. 2017 wurde auf dem nahe gelegenen Europaplatz das badische Siegesdenkmal wieder an seinem historischen Ort aufgestellt, das an bewaffnete Konflikte zwischen den beiden Nationalstaaten erinnert, die mit der deutsch-französischen Freundschaft und der Europäischen Union überwunden wurde.
Dieser Anachronismus und die Widersprüchlichkeit des öffentlichen Gedenkens veranlassten die Künstlerin Luiza Margan, sich mit dem Begriff der Repräsentation, insbesondere von Frauen, im öffentlichen Raum in Freiburg auseinanderzusetzen. Inspiriert von Willy Praghers 1962 während der Versetzung des Siegesdenkmals entstandener Fotografie der liegenden Göttin-Figur, lädt Margan Besucher*innen ein, sich an einem gemeinschaftlichen Akt des Gedenkens zu beteiligen: der Gestaltung eines überlebensgroßen Lorbeerkranzes aus handverlesenen und aus ihrer kroatischen Heimatstadt Rijeka importierten Lorbeerblättern.
MONUMENT IN THE MAKING: ROSA LUXEMBURG zielt darauf ab, die symbolische Passivität des Lorbeerkranzes als zeremonielles Objekt zu durchbrechen und stattdessen Gemeinschaft und Austausch zu fördern, indem die Teilnehmer*innen dazu angeregt werden, über Fragen des öffentlichen Gedenkens und der Repräsentation im öffentlichen Raum sowie über die Politik der Monumentalität der Stadt Freiburg zu diskutieren. Der gebundene Kranz wird am Ende der Veranstaltung an der Stelle plaziert, an der Rosa Luxemburg am 7. März 1914 ihre Rede hielt.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, Teilnehmer*innen können jederzeit einsteigen.
Young Boy Dancing Group
Hans Bunte Areal
18.09 / 20:00
Performance der Young Boy Dancing Group
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18.09.2021 / 20:00 / Hans Bunte Areal
Performance
Samstag, 18. September
Einlass ab 19 uhr
Beginn der Performance: 20 Uhr
Ort: Hans Bunte Areal, Hans-Bunte-Straße 16c
Zugang nur mit 3G (Impf- oder Genesenennachweis, negativer Antigen-Schnelltest)
Es gilt die Maskenpflicht.
Eintritt frei, mit Voranmeldung unter anmeldung@biennalefuerfreiburg.de
Die Biennale für Freiburg #1 freut sich, eine neue Performance der Young Boy Dancing Group zu präsentieren.
In den intimen Performances der Young Boy Dancing Group (YBDG) trifft die Materialität der Körper auf sphärisches Licht und durchdringenden Sound. Das Ziel ist dabei stets körperliche Erkundung statt Sexualisierung, Entblößung statt Exhibitionismus, gemeinschaftliche Befreiung statt gezähmter Isolation, Objekt-Identifikation statt Kommerzialisierung, DIY statt institutioneller Politur.
Das 2014 gegründete Performance-Kollektiv arbeitet dabei mit einem sich ständig verändernden Netzwerk von Tänzer*innen aus ganz Europa zusammen und nimmt an jedem Veranstaltungsort neue Perfomer*innen auf, mit denen sie meist über die Social-Media-Plattformen Instagram und TikTok in Kontakt treten. Die öffentlichen Performances und vorbereitenden Proben in verschiedenen Städten und Kontinenten sind damit auch ein physischer Treffpunkt für virtuelle Netzwerke.
Workshop TOMIKO Archiv
Kunstverein
12.09 / 
14:00 – 18:00
Ein Workshop zum TOMIKO Archiv von Partizia Bach und anschließender Launch des digitalen Archivs.
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12.09.2021 / 14:00 – 18:00 / Kunstverein
WORKSHOP
14:00–16:30 Uhr
LAUNCH DES DIGITALEN ARCHIVS
16:30–18:00 Uhr
Für den Workshop bitten wir um Anmeldung unter anmeldung@biennalefuerfreiburg.de.
Private Fotonachlässe als Ausgangspunkt für kollektive Geschichtsschreibung?
Ansatz für den Workshop ist das TOMIKO Archiv, eine Sammlung von über 500.000 Fotografien aus privaten Nachlässen.
In dem Workshop werden wir Kisten privater Fotonachlässe gemeinsam öffnen und betrachten; sie sprechen und unsere eigenen Erinnerungen wecken lassen, diese teilen oder verschweigen. Wir werden beobachten und weitererzählen, was die Bilder (nicht) erzählen. Kann in Fotografien überhaupt ein Moment der Wahrheit gefunden werden und wem gehört diese Wahrheit?
Wir werden Kisten und einzelne Fotografien tauschen und erfahren, welche unterschiedlichen Stimmungen und Annahmen diesen inhärent sind und wie genau jene sich wieder mit jeder einzelnen Neubetrachtung überschreiben lassen. Können uns diese Bilder einen Weg zu einer alternativen und gemeinschaftlichen Geschichtsschreibung vorgeben? Und wie könnte es aussehen, diese Praxis eines anderen Sehens in den Alltag zu integrieren und weiterzugeben? Anhand dieser Fragen sollen aus der zu Beginn rein assoziativen Beobachtung Utopien gesponnen werden, die individuelle Möglichkeiten der Geschichtsüberlieferung in der Gegenwart aufmachen.
Ab 16:30 Uhr wird Patrizia Bach erstmals das digitale Archiv der Sammlung als Website vorstellen und zum Mitmachen einladen. Die Teilnahme an diesem zweiten Teil der Veranstaltung ist auch ohne Anmeldung möglich!
Zukünftig einsehbar unter www.tomikoarchiv.de
Opening Party
Slow Club Freiburg
10.09 / 20:00
Opening Party mit l'imunsystem und weiteren DJ’s im Slow Club.
Abschluss des Walk-Workshops
DELPHI_space
10.09 / 13:00
Öffentliche Abschlussveranstaltung des einwöchigen WALK-WORKSHOP von Rahima Gambo.
ERÖFFNUNG
Alle Ausstellungsorte
10.09 / 
12:00 – 22:00
Alle Ausstellungsorte sind am Eröffnungstag von 12 bis 22 Uhr geöffnet. Reden und Drinks ab 18 Uhr am BfF Besuchszentrum, Münsterplatz 6.
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10.09.2021 / 12:00 – 22:00 / Alle Ausstellungsorte
Alle Ausstellungsorte sind am Eröffnungstag von 12 bis 22 Uhr geöffnet.
REDEN UND GETRÄNKE: 18 Uhr, vor dem BfF Besuchszentrum/Münsterplatz 6 (ehemals Geschenke Hansen)
ERÖFFNUNGSPARTY: Beginn um 21 Uhr, im Slow Club
Die Biennale für Freiburg geht in die letzte Phase und lädt zur Eröffnung und zum Programm des Ausstellungsparcours ein!
Über acht verschiedene Orte zieht sich der Ausstellungsparcours durch Freiburg und versammelt 23 internationale künstlerische Positionen. Fragen aus vorhergehenden Projekten rund um Öffentlichkeiten, Stadträume, Kollektivität und historische Schichtungen werden durch eine weitläufige Ausstellung, Performances und Interventionen erweitert und in globalen und politischen Kontexten gelesen.
In ihren initialen Überlegungen setzte die Biennale für Freiburg #1 den Ort des Künstler*innen-Studios ins Zentrum, um dem Verhältnis von temporärer Ausstellung, öffentlichem Raum und künstlerischen Formen von Wissensproduktion nachzugehen. Nach tiefgehenden, ortspezifischen und oftmals kollektiven Untersuchungen der Stadt in Spaziergängen, Workshops, Lesungen, Screenings, Diskussionen, einem Symposion, Recherchen und Arbeitsaufenthalten eröffnet die Biennale für Freiburg #1 nun ihren finalen Ausstellungsparcours!
Künstler*innen:
Michel Auder mit Michael Stickrod in Kollaboration mit Julius Martin-Humpert; Maristella Witt; Ilja Zaharov und Franziska Rist; Patrizia Bach; Patricia Esquivias; Rahima Gambo; Thomas Geiger in Kollaboration mit Birgit Heidtke, Sévérine Kpoti, Oliver Matthes und Dietrich Roeschmann; Niklas Goldbach; Philipp Gufler; Markus Hanakam & Roswitha Schuller; Belinda Kazeem-Kamiński; Vika Kirchenbauer; Sarah Lehnerer mit Jackie Grassmann und Inka Meißner; Luiza Margan; Kriz Olbricht; John Smith; Milica Tomić; Liesl Raff; Andreas von Ow; Young Boy Dancing Group
WALK-WORKSHOP
DELPHI_space
06.09 – 10.09
Workshop mit Rahima Gambo
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06.09.2021 – 10.09.2021 / DELPHI_space
Mit NEST-WORKS AND WANDER-LINES erkundet Rahima Gambo Strukturen nonverbaler und nicht-linearer Geschichten, indem sie Prozesse des Wanderns und der Bricolage nachahmt, die Pfade und Nestbauaktivitäten von Vögeln, Kuhherden und Termiten widerspiegeln. Nonverbale Kommunikationsmittel wie Bewegungen, Symbole, Zeichen, Gesten, Nachspüren und Stille werden in Gambos Installation als befreiender Modus des Seins, Sehens, Sprechens und Schreibens verstanden. Das Werk reflektiert den Ursprung der Sprache und was es bedeutet, räumlich zu sehen und kollektiv als Teil eines größeren ökologischen Systems zu kommunizieren.
Für NEST-WORKS AND WANDER-LINES lädt Rahima Gambo zu einem 5-tägigen Workshop (6.–10. September) in Freiburg ein. Dabei wird Gambos Installation für die Biennale für Freiburg in einem partizipativen Prozess entwickelt. Die Künstlerin und die 7 Teilnehmer*innen unternehmen individuelle Morgenspaziergänge durch die Stadt. Während dieser Spaziergänge werden Dinge gesammelt. Das könnten Steine, Blätter, Tonaufnahmen, Videos, Bilder, Objekte oder Texte sein. Die gesammelten Objekte werden ein Teil der Installation “Nest-works and wander-lines”, die auch ein gemeinsam erzeugtes Video sowie musikalische Elemente beinhalten wird. Dafür wird der DELPHI_space zu “A Walk Space”, Gambos offenem Atelier- und Präsentationsformat, wo Diskussionen, Vorführungen, sowie die Bearbeitung und das Arrangement der Materialien stattfinden werden.
Der Workshop beginnt jeden Tag mit Spaziergängen am Vormittag und endet mit gemeinsamen Treffen im DELPHI_space zwischen 11 und 13 Uhr. Die Teilnahme an allen Tagen ist erwünscht, aber nicht verpflichtend. Wer an dem Walk-Workshop teilnehmen möchte, kann sich bis zum 31.8.2021 unter anmeldung@biennalefuerfreiburg.de für die Teilnahme anmelden!
Vorbereitend auf ihre Arbeit für die Biennale für Freiburg zeigte Rahima Gambo am 15. Juli im DELPHI_space ihre neue Filmarbeit INSTRUMENTS OF AIR (2020). Anschließend kam die Künstlerin mit der Kuratorin und Autorin Aziza Harmel, Mitglied des Kuratorischen Beirats der BfF #1, über ihren Film und ihr Projekt ins Gespräch, das im September in Freiburg realisiert wird.
Mehr Informationen zu Rahima Gambo auf ihrer Homepage und auf dem Instagram-Profil.
Open Studio #3
Online
26.08 / 19:30
Dritte Durchführung des OPEN STUDIO, in dem Künstlerin Patrizia Bach Einblicke in ihre künstlerische Praxis gibt.
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26.08.2021 / 19:30 / Online
- August, 19:30 Uhr
Die Veranstaltung findet online per Zoom statt:
Zoom-Link
Das OPEN STUDIO versteht sich als Einladung zur gemeinsamen Reflektion über künstlerische Prozesse – es stellt das Unfertige, das im Werden begriffene in den Mittelpunkt. Die ‚Öffnung‘ des Studios wird dabei nicht in erster Linie als physisches Öffnen eines privaten Arbeitsortes verstanden, sondern als das Eröffnen eines (Denk-)Raums, der eine Austausch über künstlerische Produktionsweisen ermöglicht.
Jeden letzten Donnerstag des Monats, von Mai bis September, finden die OPEN STUDIOS statt. In diesem Rahmen werden fragmentarische Einblicke in künstlerische Praktiken gegeben. Ob ungeordnete Gedanken, Geschichten über mitgebrachte Objekte oder konzeptuelle Überlegungen zu Arbeiten – die OPEN STUDIOS laden ein, in ,intimer Öffentlichkeit‘ gemeinsam weiterzudenken, zu assoziieren, über Prozesse zu sprechen und Produktionsbedingungen zu reflektieren.
Bust Talk–Illumina
Stadtgarten
23.07 – 24.07
Performance von Thomas Geiger in Kollaboration mit Here and Black, Feministische Geschichtswerkstatt, Kunstkommission der Stadt Freiburg und der Strassenzeitung FREIeBÜRGER.
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23.07.2021 – 24.07.2021 / Stadtgarten
Thomas Geiger
Performance
Freitag, 23., und Samstag, 24. Juli, 17 Uhr
Rosengarten im Stadtgarten
Im Stadtgarten Freiburg steht die Statue „Illumina“ des Bildhauers Till Peter Otto, eine als Sonnenuhr konzipierte Marmorstele mit weiblichem Körper. Nach Auskunft Ottos soll die Statue die Diversität der Stadtgesellschaft abbilden. Für den Kopf der Statue stand ihm damals eine anonyme Freiburgerin mit äthiopischer Herkunft Modell. 2014 wurde sie von Unbekannten beschädigt und ist bis heute in diesem Zustand verblieben. Seitdem fehlt der Statue der Kopf; aus der „Illumina“ ist die Enthauptete geworden.
Im Rahmen der Biennale für Freiburg führt Thomas Geiger ein Gespräch mit der Statue, in dem es darum geht, die Leerstelle des fehlenden Kopfes diskursiv zu füllen und unterschiedlichen Perspektiven auf diese Figur eine Stimme zu geben. Im Vorfeld wurden im gemeinsamen Austausch mit Vertreter*innen unterschiedlicher Freiburger Institutionen und Initiativen mögliche Antworten der Statue auf die Fragen des Künstlers gefunden. Diese werden nun in dem Gespräch zwischen Illumina und Thomas Geiger als Performer zum Ausdruck kommen. Während der ca. 30-minütigen Performance wird die Statue Ihre Ansichten und die in ihr vereinten Perspektiven mit dem Publikum teilen und damit Fragen nach (Un)sichtbarkeiten, Körperlichkeit und Öffentlichkeit im Allgemeinen verhandeln.
Un/Stimmigkeiten knacken
Bandstand, Rieselfeld
18.07 / 11:00
Workshop mit Fritz Laszlo Weber.
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18.07.2021 / 11:00 / Bandstand, Rieselfeld
UN/STIMMIGKEITEN KNACKEN
Fritz Laszlo Weber
Workshop
Sonntag, 18. Juli, 11 Uhr
Bandstand im Rieselfeld
Dauer: ca 2 Stunden
Teilnahme gratis und nur mit Anmeldung unter:
anmeldung@biennalefuerfreiburg.de
Ausgehend vom Bremer Schlüssel, dem Wappen der Stadt, bis hin zu den Schlüsseln, die man braucht um einen frisch errichteten Neubau in Rieselfeld oder zukünftig in Dietenbach zu betreten, widmet sich dieses Hörspiel als Hör-Spiel der Geschichte der Schlüssel und Schließbewegungen.
Schlüssel und Schlösser stehen als Symbol und als Machtinstrument an einem zentralen, axiomatischen Punkt in einer gesellschaftlichen Sicherheitserzählung. Durch eine Reihe von Klang- und Hörübungen erkunden die Teilnehmer*innen des Hör-Spiels die Unsicherheiten dieser Apparate. Dafür gibt es eine Einführung in die Technik des Lock Pickings, die Kunst ein Schloss zu knacken. Das Knacken deutet dabei schon die akustische Dimension der Tätigkeit an. Das Zuhören ist von entscheidender Bedeutung beim Knacken der Schlösser, aber auch zum ent-schlüsseln der tradierten Erzählungen, die mit Schlüssel und Schlössern einhergehen.
Fritz Laszlo Weber hat an der Kunsthochschule Kassel und der Hochschule für Künste Bremen studiert. Er arbeitet heute interdisziplinär an eigenen und kollektiven Projekten in künstlerischen und filmischen Kontexten. Er war kollektiv am Tribunal „NSU-Kompelx auflösen“ 2017 am Schauspiel Köln, sowie der „Society of Friends of Halit“ auf der documenta 14 in Kassel beteiligt. Aktuell ist er unter anderem am mobilen Ausstellungsprojekt „Offener Prozess“ tätig, sowie Mitglied im kuratorischen Beirat der Biennale für Freiburg.
Nest-Works and Wander-Lines
DELPHI_space
15.07 / 20:00
Präsentation und Filmscreening von Rahima Gambo und Gespräch mit Aziza Harmel. Veranstaltung auf Englisch.
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15.07.2021 / 20:00 / DELPHI_space
Filmscreening und Gespräch zwischen Rahima Gambo und Aziza Harmel
Datum: Donnerstag, 15. Juli, 20:00 Uhr
Ort: DELPHI_space, Emmendinger Str. 21
Eintritt frei, Veranstaltung in englischer Sprache.
Begrenzte Platzkapazität aufgrund der Wetterlage. Bitte um Anmeldung für physische Teilnahme: Anmeldung.
Die Veranstaltung findet auch online über folgenden Zoom-Link statt:
us02web.zoom.us/j/88194869876
Vorbereitend auf ihre Arbeit für die Biennale für Freiburg “Nest-works and wander-lines” zeigen wir die gleichnamige neue Filmarbeit von Rahima Gambo. Anschließend wird die Künstlerin mit der Kuratorin und Autorin Aziza Harmel, Mitglied des Kuratorischen Beirats der BfF #1, über ihren Film sowie über ihr Projekt sprechen, das im September in Freiburg realisiert wird. Im Anschluss können Interessierte direkt Fragen an Rahima Gambo stellen und sich für die kollaborative Entwicklung ihrer Installation im September anmelden.
“Nest-works and wander-lines” erforscht die Architekturen des nonverbalen sowie nicht-linearen Geschichten, in denen der Prozess des "Wanderns" und der "Bricolage" nachgeahmt werden. Diese spiegeln die Pfade und Nestbauaktivitäten von Vögeln, Kuhherden und Termiten wider. Nonverbale Kommunikation wie Bewegung, Symbole, Zeichen, Gesten, Nachspüren und Stille werden in der Arbeit von Rahima Gambo als eine befreiende Art des Seins, Sehens, Sprechens und Schreibens ausgedrückt. Die Arbeit denkt über die Ursprünge der Sprache nach und darüber, was es bedeutet, räumlich zu "sehen" und kollektiv als Teil eines größeren ökologischen Systems zu kommunizieren. Daraus wird eine bewegliche psycho-spirituell-geografische Erzählung gewoben, die sowohl innerlich als auch äußerlich stattfindet und spezifisch auf die Räume reagiert, durch die Gambo und die Teilnehmer*innen “gehen”.
In dem 5-tägigen Walk-Workshop, der im September in Freiburg stattfinden wird, möchte die Künstlerin 7 Teilnehmer*innen einladen, mit ihr Morgenspaziergängen durch die Stadt zu unternehmen. Während diesen Spaziergängen werden Dinge gesammelt. Das könnte ein Stein, ein Blatt, Sound, Video, Bilder, Objekte oder Texte sein. Die gesammelten Objekte werden in die Installation “Nest-works and wander-lines” übergehen, die auch ein gemeinsam erzeugtes Video sowie musikalische Elemente beinhalten wird. Dafür wird der DELPHI_space zu “A Walk Space”, Gambos offenem Atelier- und Präsentationsformat, wo Diskussionenen, Vorführungen, sowie die Bearbeitung und das Arrangement der Materialien stattfinden werden.
Rahima Gambo wurde 1986 in London, Vereinigtes Königreich, geboren. Sie lebt und arbeitet in Abuja, Nigeria und London, Vereinigtes Königreich. Gambo schloss einen MSc in Gender und Social Policy sowie in Journalismus ab. Durch die eigenständige Arbeit an an langformatigen transmedialen Dokumentarfilmprojekten entwickelte sie ihre künstlerische Praxis. Gambo wurde 2020 zum Foam Talent ernannt und war unter den Preisträger*innen des CAP-Preises.
Symposion "A COMMONPLACE IS NOT CLICHÉ"
Basler Hof
10.07 / 
10:30 – 17:30
Perspektiven auf Öffentlichkeiten, asynchrone Allgemeinplätze und infrastrukturelle Intimitäten. Konzipiert von Christoph Chwatal & Lisa Stuckey.
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10.07.2021 / 10:30 – 17:30 / Basler Hof
PERSPEKTIVEN AUF ÖFFENTLICHKEITEN, ASYNCHRONE ALLGEMEINPLÄTZE UND INFRASTRUKTURELLE INTIMITÄTEN
Datum: Samstag, 10. Juli, 10:30 bis 17:30 Uhr
Ort: Basler Hof (Regierungspräsidium), Zugang über den Münsterplatz
Die VIDEO DOKUMENTATION des Symposions finden Sie am Ende dieser Seite.
EINFÜHRUNG
Leon Hösl
Künstlerischer Leiter, BfF#1
Zu Beginn der Biennale für Freiburg, bevor Titel, Konzept oder Dauer bestimmt waren, stand die Frage nach notwendigen Infrastrukturen. Das Wegfallen lokaler Studierenden-Ateliers und der dadurch hervorgerufene Mangel waren der Ausgangspunkt der neuen Biennale. Diese setzt Bedingungen künstlerischer Produktion ins konzeptuelle Zentrum. Gleichzeitig wird mit dem Format der Versuch unternommen, künstlerischen Prozessen und ihrem Einfluss auf die Stadt eine erhöhte Sichtbarkeit und Ausstrahlung zu geben.
Ich freue mich daher sehr, dass wir das Symposion „A Commonplace is not a Cliché” als Teil des Studioprogramms der Biennale für Freiburg in Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe austragen können. Denn hierbei wird einerseits aus drei Richtungen aufgegriffen und vertieft, was das Programm der ersten Ausgabe thematisch beschäftigt: das Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeit, die verschwindenden Grenzen des Studioraums und die Idee des Studios als nicht nur produktiver, sondern auch sozialer Ort, der „intime Infrastrukturen“ hervorrufen kann. Andererseits ist das Format des Symposions in der Lage, eine Öffentlichkeit herzustellen, wo Ideen nicht nur präsentiert, sondern auch erzeugt und in neue Richtungen gelenkt werden können. Umso wichtiger ist es, diese zwei Tage auch in ihren sozialen Dimensionen zu begreifen – nicht zuletzt im Sinne des Symposions (nicht: Symposium) und der freien Übersetzung aus dem Griechischen: ein Anlass des Zusammentreffens und des Austauschs, oder, in direkter Übersetzung, des zusammen Trinkens und Essens.
Das Symposion versammelt hierfür kunsthistorische, medienwissenschaftliche, künstlerisch-forschende und kuratorische Perspektiven und bringt die behandelten Fragestellungen in drei Workshops zur praktischen Erprobung. Hierbei freue ich mich besonders über die Kooperation mit der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und über die Beteiligung von Lehrenden und Studierenden der Klasse für Ausstellungsdesign und Szenografie, durch die das Symposion wesentlich mitgestaltet wird. Die Kooperation wird auch durch eine auf das Symposion vorbereitende Lehrveranstaltung von Ebba Fransén Waldhör, Hanne König und Viktor Neumann an der HfG ergänzt. Mein großer Dank für die Idee, Konzeption und die Zusammenarbeit bei der Umsetzung des Symposions gilt Christoph Chwatal und Lisa Stuckey.
Es wird besonders spannend sein zu beobachten, wie der Austausch während dieser zwei Tage auf die Biennale für Freiburg insgesamt zurückwirkt. Denn gerade der Anfang dieser neuen Unternehmung wird von der Hoffnung begleitet, dass durch solche temporären Zusammenkünfte neue Infrastrukturen gebildet werden, die sich durch, mit und zwischen vorhandenen Allgemeinplätzen bewegen und dabei auch zukünftig immer wieder gemeinsame Orte finden können.
ZUM SYMPOSION
Christoph Chwatal & Lisa Stuckey
In Folge der 1968er-Bewegungen wurde gegen das Establishment gerichtete Raumproduktion mit körperlicher Kopräsenz im öffentlichen Raum assoziiert. Zum einen fand dies seinen Ausdruck in radikaldemokratischen Theorien, die konsensorientierte Konzepte von Öffentlichkeit ins Wanken brachten, sowie daran anknüpfenden Formen von künstlerischem Aktivismus. Zum anderen ging damit ein zunehmendes Verlassen des künstlerischen Ateliers zugunsten neuer Arbeitsorte und Produktionsweisen einher – etwa in sozialen Kontexten oder wissenschaftlichen Settings. In der Konsequenz interessieren Konzeptionen asynchroner Zeitlichkeiten und anderer Genealogien etwa über narrative Montagen und emanzipative Referenzierungsweisen. Commonplaces sind dabei sowohl die buchstäblichen gemeinschaftlichen Güter (etwa in der critical commons Debatte) als auch rhetorische Orte, auf die sich Argumente beziehen. Denn, wie Barbara Cassin schreibt:
„A commonplace is not a cliché, it is a bank, a stock, a tank of available arguments and a place in which to seek, find and invent arguments“.
Frequentieren, normieren, appropriieren et cetera – welche Verfahren gruppieren sich um Allgemeinplätze?
Als ein Klischee erscheinen mag auch die Figuration Best Friends Forever, die das Akronym BFF mit der Biennale für Freiburg teilt. „Friendship“, so Jacques Derrida in den 1980er Jahren, „resembles an appeal because it makes a sign toward the future: be my friends.“ Sofern diesem Appell eine neue Dringlichkeit zukommt, verlangt dies, sich auf transformierende Allgemeinplätze zu sensibilisieren. Diesen Gedanken weiterführend, beleuchtet das Symposion gegenwärtige und zukünftige Formationen infrastruktureller Intimitäten. Verhandelt und rekontextualisiert werden soll so auch das Verständnis praktischer wie ideeller ‚kritischer Infrastrukturen‘.
VORTRAGENDE
Mirela Baciak, Christoph Chwatal, Elke Krasny, Sven Lütticken, Viktor Neumann, Karina Nimmerfall, Lisa Stuckey, Simon Strick, Karen van den Berg
WORKSHOPS
Hanne König & Claudia Barth, Ronja Andersen & Marius Schwarz, Lou von der Heyde & Daniel Vollmer
KONZEPTION
Christoph Chwatal & Lisa Stuckey
SZENOGRAPHIE
Diane Hillebrand
FILM
Michel Auder, May ´68 in ´78 (1978/2019) EDITED BY Michael Stickrod, Rekonstruktion BLEACHER: Julius Martin-Humpert
KOOPERATION
Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
PDF des Programmhefts zum Download.
Fotos: Karolina Sobel
ARTIKEL VON SASCIA BAILER
Unter den Teilnehmenden war auch die Kuratorin Sascia Bailer und berichtete für das Kunstmagazin artline über das Symposion. Zum Artikel: "Allgemeinplätze als Orte des kollektiven Verhandelns"
VIDEO DOKUMENTATION
Kamera: Mustafa Emin Büyükcoşkun und Team
Schnitt: Stefan Reisinger
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Workshops
“A Commonplace is Not a Cliché”
BfF #1
09.07
Drei Workshops erweitern das Symposion am 10. Juli um praktische künstlerische, kuratorische und feministische Perspektiven.
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“A Commonplace is Not a Cliché”
09.07.2021 / BfF #1
Datum: Freitag, 9. Juli 2021, ab 10 Uhr
Anmeldung bitte bis zum 06. Juli: hier
Drei Workshops erweitern das Symposion „A Commonplace is not a Cliché” um praktische künstlerische, kuratorische und feministische Perspektiven. Sie bieten Studierenden die Gelegenheit, bereits am Vortag in Austausch zu treten. Verbindend widmen sich die Workshops verschiedenen Formen des Erinnerns sowie der Produktion emanzipatorischer Narrative und Zeichen.
Das Erkunden öffentlicher Räume und das Entwerfen neuer Erzählungen rund um „infrastrukturelle Intimitäten“ findet im kleinen Rahmen auf angewandter wie reflexiv-theoretischer Ebene statt. Dabei werden keine Erläuterungen oder gar Schlüssel für das Symposions-Programm angeboten, sondern gemeinsam Begegnungs- und Experimentalräume gestaltet.
WORKSHOP I – (ENGLISH)
COLLECT AND EXHAUST: FREIBURG SPECIMENS
Ronja Andersen und Marius Schwarz laden ein, auf Spurensuche im Stadtraum zu gehen. Mit geschärftem Blick auf Struktur und Beschaffenheit der Umgebung, sollen graphische Gestaltungen entwickelt werden.
WORKSHOP II
TUNNEL OF TIME: VON ERINNERUNGSRÄUMEN UND ZEITKAPSELN
Mit Lou von der Heyde und Daniel Vollmer rückt das Stadtviertel rund um den DELPHI_space in den Blick. Gemeinsam und ausgehend von fiktiven und kollektiven Erinnerungsformen wird eine temporäre Ausstellung kuratiert.
WORKSHOP III
BETWEEN US, IN ALL OF OUR DIFFERING EMBODIMENTS
Hanne König und Claudia Barth nehmen Traditionslinien feministischer Praktiken zum Ausgangspunkt, um über gemeinsames Erzählen und örtliche Bezüge Formen des Sich-Anvertrauens zu erproben.
Ausführliche Informationen über die Workshops gibt es hier.
Im Anschluss an die Workshops findet am 10. Juli das Symposion “A Commonplace is Not a Cliché” Perspektiven auf Öffentlichkeiten, asynchrone Allgemeinplätze und infrastrukturelle Intimitäten im Basler Hof statt.
A Day’s Work:
Minerva und die Fehlgeburt des Gehirns von Johanna Hedva
Kommunales Kino
02.07 / 20:00
Lesung mit Video-Screening und anschließendes Q&A von Johanna Hedva mit Jackie Grassmann.
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Minerva und die Fehlgeburt des Gehirns von Johanna Hedva
02.07.2021 / 20:00 / Kommunales Kino
Lesung mit Video-Screening und anschließendes Q&A
Datum: Freitag, 2. Juli, 20:00 Uhr
Ort: Kommunales Kino Freiburg, Urachstraße 40
Veranstaltung in englischer Sprache mit deutscher Übersetzung.
Eintritt frei, begrenzte Platzkapazität.
Anmeldung hier
Im Rahmen von A DAY’S WORK wird Johanna Hedva aus dem Buch Minerva: Die Fehlgeburt des Gehirns lesen. Die Lesung wird parallel zu Aufnahmen einer Live-Unterwasserkamera gestreamt und von Jackie Grassmann auf Deutsch übersetzt. Für das anschließende Gespräch wird Johanna Hedva per Video zugeschaltet. Johanna Hedva wird mit uns darüber sprechen, in welchem Verhältnis Durchlässigkeit, Mystik, Prozesse künstlerischen Arbeitens, Biographisches und Begegnungen mit Freund*innen und Fremden zu ihren Texten und ihrer Kunst stehen. Welchen Einfluss haben die politischen, familiären, physischen und psychischen Bedingungen auf unser Schaffen, und welchen Umgang finden wir mit ihnen?
A DAY’S WORK wurde von Sarah Lehnerer in Zusammenarbeit mit Jackie Grassmann und Inka Meißner für die Biennale für Freiburg konzipiert. Das Projekt umfasst zwei Lesungen und zwei Workshops im Rahmen des Studioprogramms der Biennale. Dabei werden Formen eines zunächst nicht-zweckorientieren, intimen Schreibens befragt. Im Rückgriff auf eine Recherche im deutschen Tagebucharchiv Emmendingen wird in den Workshops das (eigene) Schreiben auf die Schwelle zwischen alltäglicher Notation und künstlerischer Produktion hin untersucht. Manchmal liegt in der Stoik, den Alltag am Abend am Tisch aufzuschreiben oder zu zeichnen, Erlebtes in etwas zu verwandeln, das Bestand haben kann, jener periphere Akt, aus dem heraus auch künstlerische Arbeit entsteht. Begleitet werden die Workshops durch eine ortsspezifische Installation von Sarah Lehnerer – ein gemaltes Setting von Raumteilern und Nutzgegenständen, Keramik-Möbeln und Schreib-Equipment. Die räumliche Installation A DAY’S WORK wird bei der Ausstellung der Biennale ab 10. September zu sehen sein und enthält installative Elemente sowie Text-Fragmente aus den Workshops und macht diese der Öffentlichkeit zugänglich. Die Workshops werden durch Gastlesungen von Keren Cytter (18.6., Literaturhaus) und Johanna Hedva (2.7., Kommunales Kino) ergänzt.
Johanna Hedva (genderqueer) ist koreanisch-amerikanischer Abstammung, Schriftsteller*in, Künstler*in, Musiker*in und Astrolog*in. Hedva ist in Los Angeles in einer Familie von Hexen aufgewachsen und lebt zwischen LA und Berlin. Hedva ist Autor*in von Minerva, der Fehlgeburt des Gehirns (Sming Sming/Wolfman 2020) und des Romans On Hell (Sator/Two Dollar Radio 2018). Hedva hat die Alben Black Moon Lilith in Pisces in the 4th House (2021), und The Sun and the Moon (2019) veröffentlicht.
Der Lesung geht ein Workshop von Jackie Grassmann und Sarah Lehnerer voraus: ECHOS ALS ANTWORT
Die Veranstaltung ist teilweise barrierefrei, für weitere Informationen können Sie sich gerne an: info@biennalefuerfreiburg.de wenden.
A Day's Work: Echos als Antwort
Musikpavillon, Stadtgarten
02.07 / 
11:00 – 15:00
Workshop von Jackie Grassmann und Sarah Lehnerer
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02.07.2021 / 11:00 – 15:00 / Musikpavillon, Stadtgarten
Mit Jackie Grassmann und Sarah Lehnerer
An wen, für wen und mit wem schreiben wir eigentlich, wenn wir schreiben? Im Workshop werden wir uns damit auseinandersetzen, was es bedeutet sich auf andere/s zu beziehen, sich anzueignen, in Dialog zu treten, zu wiederholen, zu sammeln und zu tauschen. Wie schreibt es sich wenn wir uns bewusst machen, dass wir als Schreibende nie alleine, sondern bereits immer in ein politisches und soziales Gewebe eingebunden sind, dieses beschreiben und von ihm beschrieben werden? Entlang ausgewählter Textfragmente werden wir versuchen herauszulesen, welche Kräfte, Echos, Gegenstände oder andere Elemente jenseits des Autor*innen-Ichs die treibende Kraft des Schreibens sind. In kleinen Schreibübungen werden wir damit experimentieren, welche Formen entstehen, wenn wir diesen Kräften eine eigene Stimme einräumen.
Ihren Ausgang haben die Überlegungen zum Workshop in dem kollaborativen Projekt „Fireflies in the Dark. A Reading on Ambiguities“ der beiden Künstlerinnen genommen.
Im Rahmen der Biennale für Freiburg wird die Künstlerin Sarah Lehnerer, in Zusammenarbeit mit Jackie Grassmann und Inka Meißner, das Projekt A DAY’S WORK realisieren und zwei Workshops im Rahmen des Studioprogramms abhalten. Sie befragen Formen eines zunächst nicht-zweckorientieren, intimen Schreibens: Im Rückgriff auf eine Recherche im deutschen Tagebucharchiv Emmendingen wird in den Workshops das (eigene) Schreiben auf die Schwelle zwischen alltäglicher Notation und künstlerischer Produktion hin untersucht. Manchmal liegt in der Stoik, den Alltag am Abend am Tisch aufzuschreiben oder zu zeichnen, Erlebtes in etwas zu verwandeln, das Bestand haben kann, jener periphere Akt, aus dem heraus auch künstlerische Arbeit entsteht.
Begleitet werden die Workshops durch eine ortsspezifische Installation von Sarah Lehnerer – ein gemaltes Setting von Raumteilern und Nutzgegenständen, Keramik-Möbeln und Schreib-Equipment. Die räumliche Installation A DAY’S WORK, im Kunstverein Freiburg im September, wird dann die installativen Elemente sowie Text-Fragmente aus den Workshops der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Im Anschluss an den Workshop findet die performative Lesung MINERVA UND DIE FEHLGEBURT DES GEHIRNS von Johanna Hedva statt.
Datum: 2. Juli, 11-15 Uhr
Ort: Musikpavillon im Stadtgarten
Eintritt frei, Begrenzte Platzkapazität,
Anmeldung erforderlich:
Anmeldung hier
Die Veranstaltung ist teilweise barrierefrei, für weitere Informationen können Sie sich gerne an: info@biennalefuerfreiburg.de wenden.
Zwischen dem Pflaster liegt der Strand! A Slow Walk for a green (Freiburg)
Musikpavillon, Stadtgarten
26.06 / 
11:00 – 17:00
Grünsammelspaziergang mit Andreas von Ow im gesamten Freiburger Stadtraum.
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26.06.2021 / 11:00 – 17:00 / Musikpavillon, Stadtgarten
Wir laden zu einem Spaziergang mit besonderem Augenmerk ein: Grün als roter Faden, bis die Stadtkarte schwarz ist! Was wir dabei finden wird zur reichen Quelle: das grüne Glas in seinen Nuancen, das begehrte Rohmaterial für die spätere Farbmalerei.
Vom Treffpunkt am Musikpavillon ausgehend wird jeweils ein Spazierpaar in eine Gegend von Freiburg entsendet. Von uns mit Stadtkarte, schwarzem Filzstift (zum Schwärzen abgesuchter Orte), Pinzette und Plastiktütchen ausgestattet schwärmen wir alle aus.
Die wertvollen Rohlinge für die Grünpigmente werden aus dem Umfeld entnommen. Das Sammelgut wird von Andreas von Ow zu Pigment in verschiedenen Korngrößen weiterverarbeitet, mit Bindemittel angereichert und auf einem Bildträger mehrschichtig zu einer Farbmalerei, aus dem Grün in all seinen Facetten, verdichtet. Hier bekommt die Farbe nun ihren Körper, das Grün bekommt sein „Fleisch“. Dieses Werk wird Teil der Ausstellung der Biennale und im September zu sehen sein.
Beim Gehen und gleichzeitigen Entnehmen des Grüns aus dem Stadtbild ergeben sich Fragen: Wie verändert sich der eigene Blick auf das Stadt- und Landschaftsbild, wenn man auf „Grün“ fokussiert ist? Was erzählen die Spuren von grünem Glas über den Ort? Was passiert mit unserem Farbsehen und mit unserer Wahrnehmung der Umgebung, vor, während und nach dem Spazieren? Und schließlich: was bedeutet es uns, sich für die Kunst in einer Gesellschaft einzusetzen?
Die Kollekte der gesammelten Fundstücke, (Farb-)Eindrücke, Gespräche und gemeinsamen Reflexionen finden ab 17 Uhr bei einem Umtrunk im Stadtgarten statt.
Wir würden uns freuen, wenn wir uns am 26. Juni im Stadtgarten treffen! Bereits zwei Tage vorher wird Andreas von Ow über seine künstlerische Arbeit erzählen – nähere Infos dazu gibt es hier.
Mit herzlichen Grüßen und in großer Vorfreude,
Andreas von Ow und das Team der Biennale für Freiburg
Datum: 26. Juni, 11 Uhr, ab 17 Uhr Farbkollekte
Ort: Treffpunkt Musikpavillon im Stadtgarten
Die Veranstaltung ist kostenfrei
Anmeldung erforderlich: Anmeldung hier
Open Studio #2
Online
24.06 / 19:30
Zweite Durchführung des OPEN STUDIO, in dem Künstler Andreas von Ow und Kulturanthropolog*in und Architekt*in Aylin Yildirim Tschoepe Einblicke in ihre Praxis geben.
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24.06.2021 / 19:30 / Online
Mit Kulturanthropolog*in und Architekt*in Aylin Yildirim Tschoepe und Künstler Andreas von Ow.
Das OPEN STUDIO versteht sich als Einladung zur gemeinsamen Reflektion über künstlerische Prozesse – es stellt das Unfertige, das im Werden begriffene in den Mittelpunkt. Die ‚Öffnung‘ des Studios wird dabei nicht in erster Linie als physisches Öffnen eines privaten Arbeitsortes verstanden, sondern als das Eröffnen eines (Denk-)Raums, der eine Austausch über künstlerische Produktionsweisen ermöglicht.
Jeden letzten Donnerstag des Monats, von Mai bis September, finden die OPEN STUDIOS statt. In diesem Rahmen werden fragmentarische Einblicke in künstlerische Praktiken gegeben. Ob ungeordnete Gedanken, Geschichten über mitgebrachte Objekte oder konzeptuelle Überlegungen zu Arbeiten – die OPEN STUDIOS laden ein, in ,intimer Öffentlichkeit‘ gemeinsam weiterzudenken, zu assoziieren, über Prozesse zu sprechen und Produktionsbedingungen zu reflektieren.
Aylin Yildirim Tschoepe ist Kulturanthropolog*in und Architekt*in. Aktuell ist Aylin als Oberassistenz am Zentrum für Gender Studies an der Universität Basel und verbindet die Bereiche Anthropologie, Gender Studies und Urban Studies in Forschung, Lehre und Praxis.
Andreas von Ow studierte Freie Kunst - Malerei - an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe bei Günter Umberg, Andreas Karl-Schulze, Rainer Splitt und Tatjana Doll bei der er Meisterschüler war. Er realisierte unter anderem Ausstellungen im Kunstverein Lüneburg, in der Stichting Kaus Australis, Rotterdam, im Kunsthaus Baselland, im Verein für aktuelle Kunst, Oberhausen und im PEAC-Museum in Freiburg. Er lebt und arbeitet in Berlin.
Datum: 24. Juni, 19:30 Uhr
Die Veranstaltung findet witterungsbedingt online per Zoom statt, der Link wird nach erfolgter Anmeldung zugesendet.
Die Veranstaltung ist kostenfrei
Um Anmeldung wird gebeten: Anmeldung hier
A Day’s Work: Business Class
von Keren Cytter
Literaturhaus Freiburg
18.06 / 19:30
Performative Lesung von Keren Cytter, mit Inka Meißner und Laurie Mlodzik.
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von Keren Cytter
18.06.2021 / 19:30 / Literaturhaus Freiburg
Performative Lesung
Für A DAY'S WORK, konzipiert von Sarah Lehnerer in Zusammenarbeit mit Jackie Grassmann und Inka Meißner, wird die Künstlerin Keren Cytter die Simulation einer Probe ihrer aktuell entstehenden Performance Business Class im Literaturhaus Freiburg inszenieren. Dabei probt Cytter mit zwei nicht-professionellen Schauspielerinnen einen spezifischen Ausschnitt aus der Performance und verfolgt den Prozess des Auswendiglernens und der körperlichen Interpretation des geschriebenen Wortes bis zum Entstehen einer Lesung. Abschließend wird der entsprechende Abschnitt als Aufzeichnung der Original-Performance präsentiert.
Woman: Once when I was in Paris I went to buy earrings for Isabelle, my then sister in law. It was a huge department store high ceilings and escalators. As I was walking and looking at the jewels, I see this cool-looking young woman, walking around the store. I smiled at her and she smiles back. She seemed so nice and friendly. I had to introduce my self to her. So I’m walking to her with my hand like that, and I bump my head in the mirror.... I ran away from the store. That was the last time I saw me.
In Kooperation mit dem Deutschen Tagebucharchiv und dem Literaturhaus Freiburg.
Keren Cytter wurde 1977 in Tel Aviv, Israel, geboren. Sie lebt und arbeitet seit 2012 in New York, USA. Cytter studierte Freie Kunst am Avni Institut für Kunst in Tel Aviv. Neben weiteren erhielt sie 2006 den Baloise Kunstpreis und 2008 den Ars Viva-Preis. 2014/2015 wurde sie als Professorin für Freie Kunst an die Kunstakademie Düsseldorf berufen.
Der Lesung geht ein Workshop von Inka Meißner und Sarah Lehnerer voraus: ZIMMER OHNE WÄNDE
Datum: 18. Juni, 19:30 Uhr
Ort: Literaturhaus Freiburg, Bertoldstraße 17
Teilnahme nur mit tagesaktuellem negativen Corona-Schnelltest (Oder vollständigen Impf- oder Genesenennachweis)
Eintritt frei, Veranstaltung in englischer Sprache
Begrenzte Platzkapazität, Anmeldung erforderlich:
Anmeldung hier
Die Veranstaltung ist teilweise barrierefrei, für weitere Informationen können Sie sich gerne an: info@biennalefuerfreiburg.de wenden.
A Day's Work: Zimmer ohne Wände
Musikpavillon, Stadtgarten
18.06 / 
11:00 – 15:00
Workshop von Sarah Lehnerer und Inka Meißner
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18.06.2021 / 11:00 – 15:00 / Musikpavillon, Stadtgarten
In diesem Workshop geht es um das Beginnen, das Schaffen eines Schreibprozesses aus dem Nichts oder aus der Abwesenheit einer Zweckmäßigkeit heraus. Wir werden uns den Anfängen eines eigenen Schreibens widmen: Im Rückgriff auf Material aus dem deutschen Tagebucharchiv werden Anfänge von anderen gelesen, selbst versucht und anschließend geteilt. Sich wiederholende Abfolgen von Anschauen, Schreiben, Vorlesen. Die Umarmung der anfänglichen Verunsicherung ermöglicht dann ein Nachdenken über das Schreiben selbst und wie sich auch unmittelbar entstehende, ungerichtete Formen als Ausgangspunkt einer Praxis begreifen lassen.
Mit: Inka Meißner und Sarah Lehnerer
Im Rahmen der Biennale für Freiburg wird die Künstlerin Sarah Lehnerer, in Zusammenarbeit mit Jackie Grassmann und Inka Meißner, das Projekt A DAY’S WORK realisieren und zwei Workshops im Rahmen des Studioprogramms abhalten. Sie befragen Formen eines zunächst nicht-zweckorientieren, intimen Schreibens: Im Rückgriff auf eine Recherche im deutschen Tagebucharchiv Emmendingen wird in den Workshops das (eigene) Schreiben auf die Schwelle zwischen alltäglicher Notation und künstlerischer Produktion hin untersucht. Manchmal liegt in der Stoik, den Alltag am Abend am Tisch aufzuschreiben oder zu zeichnen, Erlebtes in etwas zu verwandeln, das Bestand haben kann, jener periphere Akt, aus dem heraus auch künstlerische Arbeit entsteht.
Begleitet werden die Workshops durch eine ortsspezifische Installation von Sarah Lehnerer – ein gemaltes Setting von Raumteilern und Nutzgegenständen, Keramik-Möbeln und Schreib-Equipment. Die räumliche Installation A DAY’S WORK, im Kunstverein Freiburg im September, wird dann die installativen Elemente sowie Text-Fragmente aus den Workshops der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Im Anschluss an den Workshop findet die performative Lesung BUSINESS CLASS von Keren Cytter statt.
Datum: 18. Juni, 11-15 Uhr
Ort: Musikpavillon im Stadtgarten
Eintritt frei, Begrenzte Platzkapazität,
Anmeldung erforderlich:
Anmeldung hier
Die Veranstaltung ist teilweise barrierefrei, für weitere Informationen können Sie sich gerne an: info@biennalefuerfreiburg.de wenden.
Library of Requests #6
Stadtbibliothek Freiburg
07.06 / 
16:30 – 18:30
Belinda Kazeem-Kamiński in Kooperation mit dem Dear White People Festival. Read-In und Präsentation.
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07.06.2021 / 16:30 – 18:30 / Stadtbibliothek Freiburg
Die LIBRARY OF REQUESTS ist ein Projekt von Belinda Kazeem-Kamiński und beschäftigt sich mit Fragen nach der Formierung von etabliertem und marginalisiertem Wissen und setzt sich mit Ein- und Ausschlüssen von bestimmten Menschengruppen auseinander. In der sechsten Ausgabe der LoR geht es um koloniale Kontinuitäten: Wie mit den stetig aufkommenden Re-Artikulationen kolonialer Gewalt umgehen? Wie eine Vergangenheit fassen, die nicht vergangen zu sein scheint? Das gemeinsame Lesen und anschließende Sprechen über den Umgang mit kolonialen Kontinuitäten stehen im Mittelpunkt des gemeinsamen Read-Ins zur Eröffnung der LoR#6.
Im Rahmen des Studioprogramms der Biennale für Freiburg möchten wir mit dieser Veranstaltung ein Augenmerk auf weitere Orte lenken, die künstlerische Prozesse begleiten und anstoßen. Hierzu zählen neben dem öffentlichen Raum auch öffentliche Archive oder Bibliotheken. Die LIBRARY OF REQUESTS schafft hierbei einen Rahmen, in dem sich der verfügbare Lektüre-Kanon, durch die im Kollektiv ausgewählten Publikationen, wesentlich erweitert. Das Sprechen und gemeinsame Lesen wird zum festen Bestandteil der Leseerfahrung erklärt.
Eine Kooperation des Dear White People Festivals und der Stadtbibliothek Freiburgmit der Biennale für Freiburg. Unter Beteiligung der Expert*innen Akiko Rive, Andrea-Vicky Amankwaa-Birago, Alex M. Moepedi, Qùynh-nhu Nguyễn, Rufine Songue, Leonora Lorena und Valéria Fekete.
"DEAR WHITE PEOPLE..." LET'S BREAK THE SILENCE! ist ein Festival, das marginalisierte Themen wie die Verschränkung von Kolonialismus und Rassismus, den Zusammenhang zwischen ökologischer Krise und Ausbeutung des Globalen Südens sowie die systemische Struktur von (Mehrfach-) Diskriminierungen in unserer Gesellschaft in Workshops, Podiumsdiskussionen, Performances, Vorträgen, Filmen, Ausstellungen oder Podcasts behandelt.
Die Library of Request ist eröffnet und kann in der Stadtbibliothek Freiburg besucht und genutzt werden:
Publikationsliste der LIBRARY OF REQUESTS #6:
Dagmar Yü-Dembsk: Chinesen in Berlin (2007),
Resmaa Menakem: My Grandmother’s Hand: Racialized Trauma and the Pathway to Mending our Hearts and Bodies (2017),
Cheryl Dunye: Watermelon Woman (1996),
Emilia Roig: Why We Matter. Das Ende der Unterdrückung (2021),
Robin Di Angelo: White Fragility (2018),
Walter Rodney: How Europe Underdeveloped Africa (1972),
John Coates & Tina Hetherington: Decolonizing Social Work (2013),
Volker Seitz: Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann (2009),
Michael Lüders: Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet (2015),
Trân Tô Nga: Ma terre empoisonnée (2016),
Cathy Park Hong: Minor Feelings. An Asian American Reckoning (2021),
Ocean Vuong: Auf Erden sind wir kurz grandios (2019),
Sault: Untitled (Black is) (2020),
Nashi 44: Asian Berlin Pussy Power (2021),
Blick Bassy: 1958 (2019),
Rodrigue Péguy Takou Ndie: Die Suchenden (2018),
Mame-Fatou Niang & Kaytie Nielsen: Mariannes Noires (2016),
Theater X: Verlassen wir dieses Europa!, Oyeronke Oyewumi: The Invention of Women: Making an African Sense of Western Gender (1997),
Peace Adzo Medie: His Only Wife (2020),
Chinua Achebe: Things fall appart (1958),
Elizabeth Acevedo: Clap When You Land (2020),
Yaa Gyasi: Transcendent Kingdom (2020),
Ondjaki: Die Durchsichtigen (2015),
Djaimilia Pereira de Almeida: Luanda, Lisboa, Paraíso (2018),
Djaimilia Pereira de Almeida: That Hair (2020),
Leonor Teles: Ballade der Batrachia (2016),
Azagaia: Só Dever (2019),
Christina Sharpe: In the Wake. On Blackness and Being (2016),
Grada Kilomba: Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism (2008),
May Ayim, Katharina Oguntoye & Dagmar Schultz: Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte (2020),
Katharina Oguntoye: Schwarze Wurzeln. Afro-deutsche Geschichte (2020),
Kien Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai & Sheila Mysorekar: re/visionen – Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland (2016),
David Olusoga & Caspar W. Erichsen: The Kaiser’s Holocaust. Germany’s Forgotten Genocide (2010),
Natasha Kelly: Schwarzer Feminismus – Grundlagentexte (2019),
Rainer Fassbinder: Angst essen Seele auf (1974),
Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Pesche & Susan Arndt: Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weißseinsforschung in Deutschland (2017),
Karin Beese: Nelly und die Berlinchen (2019),
Dayan Kodua: Odo (2019),
Susan Arndt: Hornscheidt, Antje. Afrika und die deutsche Sprache – Ein kritisches Nachschlagewerk (2018)
Open Studio #1
Online
27.05 / 19:30
In OPEN STUDIO geben Künstler*innen Einblicke in ihre künstlerische Praxis. Mit Diane Hillebrand und Hanakam & Schuller.
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27.05.2021 / 19:30 / Online
Mit Diane Hillebrand und Hanakam & Schuller.
Moderiert von Leon Hösl und Catherin Schöberl.
Das OPEN STUDIO versteht sich als Einladung zur gemeinsamen Reflektion über künstlerische Prozesse – es stellt das Unfertige, das im Werden begriffene in den Mittelpunkt. Die ‚Öffnung‘ des Studios wird dabei nicht in erster Linie als physisches Öffnen eines privaten Arbeitsortes verstanden, sondern als das Eröffnen eines (Denk-)Raums, der eine Austausch über künstlerische Produktionsweisen ermöglicht.
Jeden letzten Donnerstag des Monats, von Mai bis September, finden die OPEN STUDIOS statt. Eingeladene Künstler*innen, Kurator*innen und Schriftsteller*innen werden im Rahmen der Veranstaltungs-Serie fragmentarische Einblicke in ihre künstlerische Praxis geben. Ob ungeordnete Gedanken, Geschichten über mitgebrachte Objekte oder konzeptuelle Überlegungen zu Arbeiten – die OPEN STUDIOS laden ein, in ,intimer Öffentlichkeit‘ gemeinsam weiterzudenken, zu assoziieren, über Prozesse zu sprechen und Produktionsbedingungen zu reflektieren.
Datum: 27. Mai, 19:30 Uhr
Die Veranstaltung findet online per Zoom statt
Die Veranstaltung ist kostenfrei
Um Anmeldung wird gebeten:
Anmeldung hier
The Moist Cabinet
Macromedia Hochschule Freiburg
08.05 / 10:00
Workshop des Künstlerduos Hanakam & Schuller mit Kunststudierenden der Macromedia Hochschule.
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08.05.2021 / 10:00 / Macromedia Hochschule Freiburg
Ortsbegehung
Stadtgarten
24.09
In Vorbereitung der ersten Ausgabe der Biennale für Freiburg laden wir Sie herzlich zur ersten gemeinsamen Begehung ein. Dabei werden bei einem Spaziergang Konzept und Themen vorgestellt und in Bezug zum städtischen Raum gesetzt. Anschließendes Filmscreening von „A Walk“ von Rahima Gambo.
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24.09.2020 / Stadtgarten
ab 19 Uhr
Informationen zur Anmeldung siehe unten.
Das Studio einer Künstlerin, eines Künstlers oder einer Klasse von Kunststudierenden hat nicht zwangsläufig einen physischen Raum zur Bedingung. Ein Studio ist zuerst ein Ort der Produktion, des Experiments und des Austauschs. Ein Studio ist ein geschützter Ort für darin stattfindende Gedanken und Handlungen. Ein Ort für Dinge, die im Werden begriffen sind. Ein Ort der regelmäßigen Überprüfung. Ein Ort, an dem Handlungen präsentiert, getestet und reflektiert werden. Ein Ort, der ehrliche Meinungsäußerung ermöglicht. Ein Ort, um Fähigkeiten zu trainieren und anzuwenden. Ein Ort für Produktion und Zerstörung, für Abwägung und Spontaneität. Ein Studio ist ein Ort, an dem Vorschläge gemacht werden.
Die Biennale für Freiburg (BfF) lädt zu ihrer ersten Veranstaltung ein. Bei einer Ortsbegehung werden Konzept und thematische Überlegungen der ersten Ausgabe in den Raum gestellt und bei einem gemeinsamen Spaziergang vermittelt, getestet und diskutiert. Es wird der erste Versuch unternommen, den öffentlichen Raum zum Arbeitsort zu erklären und ein temporäres, bewegliches Studio zu bilden. Die Veranstaltung endet mit dem Film „A Walk“ (2019) der Künstlerin Rahima Gambo und dauert insgesamt circa 90 Minuten.
An der Ortsbegehung sind beteiligt:
Ronja Andersen und Marius Schwarz, Christoph Chwatal, Rahima Gambo, Aziza Harmel, Fanny Hauser, Leon Hösl, Perspektiven für Kunst in Freiburg e.V. (Heinrich Dietz, Julia Galandi-Pascual, Heidi Brunnschweiler, Ben Hübsch), Magdalena Stöger, Fritz Laszlo Weber.
Michel Auder mit Michael Stickrod
In Kollaboration mit Julius Martin-Humpert, Maristella Witt, Ilja Zaharov und Franziska Rist im Kommunalen Kino
… MehrMichel Auder mit Michael Stickrod
in Kollaboration mit Julius Martin-Humpert, Maristella Witt, Ilja Zaharov, and Franziska Rist
MAY ’68 IN ’78
Ausstellungsort: Kommunales Kino
1968 dokumentierte der Fotograf und Filmemacher Michel Auder die Revolten in Paris, verlor das Filmmaterial jedoch kurz darauf bei seinem Umzug in die USA. Exakt zehn Jahre nach den Ereignissen stellte Auder diese filmischen Erinnerungen mit MAY ’68 IN ’78 wieder her, indem er mit Pariser Künstler*innen, Arbeiter*innen, einem Polizisten und einer Verkäuferin in Dialog trat, um sie zu ihren persönlichen Erinnerungen an den Mai 1968 zu befragen.
MAY ’68 IN ’78 zeichnet ein vielstimmiges Porträt der unterschiedlichen Rollen und Ansichten, die die Befragten während der Proteste und im Rückblick darauf einnehmen. Während die einen selbst aktiv beteiligt waren, empfanden andere die Proteste als lästig oder ordneten sie schlicht als unbedeutend ein. Die von Auder initiierten Gespräche mit Personen unterschiedlicher sozialer und beruflicher Zugehörigkeiten reinszenieren die sozialen Begegnungen, die, wie einer seiner Interviewpartner erzählt, auch für die Ereignisse im Mai 1968 charakteristisch waren: „People were talking to each other, anybody talked to anybody, telling each other that had never been said before.“
Ursprünglich als Filmvorführung in Jean Tinguelys Skulptur LE CYCLOP in Milly-la-Foret geplant, was aus technischen Gründen nicht realsiert werden konnte, wurde MAY ’68 IN ’78 2019/2020 erstmals in der Beeler Gallery in Colombus, Ohio, in einem skulpturalen Setting von Michael Stickrod gezeigt. Stickrod, ein häufiger Kollaborationspartner von Michel Auder, hatte das Videomaterial für diese Ausstellung gesichtet, digitalisiert und geschnitten.
Für die BfF#1 wurde ein Element der Installation von Michael Stickrod rekonstruiert: ein sogenannter Bleacher (Tribüne), der auf die Theatralik vieler der Ereignisse im Mai 1968 verweist und dabei gleichzeitig wie eine Barrikade den Galerieraum besetzt. Auf und neben dem Bleacher zeigen vier in Freiburg lebende Künstler*innen neue Arbeiten, die aus der Auseinandersetzung mit MAY ’68 IN ’78 hervorgegangen sind und im Austausch mit Michael Stickrod und Michel Auder entwickelt wurden. Im Rahmen des Symposions der BfF #1 „A COMMONPLACE IS NOT A CLICHÉ“ PERSPEKTIVEN AUF ÖFFENTLICHKEITEN, ASYNCHRONE ALLGEMEINPLÄTZE UND INFRASTRUKTURELLE INTIMITÄTEN am 10. Juli wurde der Film als wichtiges Zeitdokument und filmische Reflexion des Allgemeinplatzes “Mai 1968” gezeigt.
MAY ’68 IN ’78, 1978/2019
Michel Auder video, edited by Michael Stickrod, BLEACHER, skulpturale Elemente von Michael Stickrod.
Ursprünglich entwickelt für die BEELER Gallery, Ohio. Rekonstruktion von Julius Martin-Humpert.
„UNTITLED“ (POUR CAUSE D‘INUTILITÉ), 2021
Ilja Zaharov
Offsetdruck auf Papier, 16 x 42 x 59,4 cm (ideale Höhe) [Auflage 800]
„UNTITLED“ (POUR CAUSE D‘INUTILITÉ) besteht aus gedruckten Blättern mit der französischen Aufschrift CLOSED (DUE TO USELESSNESS) und erinnert an die Protestplakate vom Mai ’68. Das Plakat bezieht sich auf die kurzzeitige Schließung des Musée d‘Art Moderne durch Studenten, die diesen Satz auf ein Transparent geschrieben hatten und damit den Eingang verdeckten; ein Vorfall, der von einem Interviewpartner im Film nacherzählt wird. Die Besucher*innen können die Blätter mitnehmen und so selbst über ihre Verwendung und revolutionäre Kraft bestimmen.
ÉCOUTE, 2021
Franziska Rist
Kissen, Gips, 55 x 40 x 70 und 38 x 33 x 45 cm
Während ich in die Arbeiten von Stickrod und Auder eintauche und die Gemeinschaftsausstellung in der KoKi vorbereite, konfrontiere ich mich in meiner individuellen Atelierarbeit mit meinem bisher persönlichsten Material: den alten Kissen meiner Mutter. Da die Kissen noch nach ihr riechen, erlebe ich Rückblenden in meine Kindheit und entwickele eine starke emotionale Bindung zu dem Werk. Wenn ich die Skulpturen in die kollektive Installation aufnehme, ändert sich die Referenz, aber meine Beziehung bleibt bestehen. Im Dialog mit dem Film MAY ’68 IN ’78 geben sie Einblick in eine individuelle Geschichte.
LAST NIGHT OF INSURRECTION, 2021
Julius Martin-Humpert
Paraffin-Wachs, 30 x 20 x 25 cm
Die Arbeit LAST NIGHT OF INSURRECTION bezieht sich auf das Zitat von Tinguely, das besagt, dass der Mai ’68 keine materiellen Folgen hatte, sondern zu einer Revolution der Gedanken und Haltungen führte. Ein Wachskanister, der den Gasmangel in Paris während der Streiks abbildet, synthetisches Paraffinwachs, das die Innenseite nach außen kehrt und eine Hülle für die Entfaltung von (destruktiven) Potentialen schafft. Das Klima von gesellschaftlichem Umbruch und ständiger Veränderung, zwischen Aufruhr und Reformen, Gas und Feuer, wird vorübergehend als Aggregatzustand verfestigt.
OHNE TITEL, 2021
Maristella Witt
Verschiedene Materialien
Zivile Unruhen rühren an den Rollen öffentlicher und privater Einrichtungen. Während der Proteste wurden Schulen und Universitäten umfunktioniert, die Symbolik und Existenzberechtigung des Museums wurde in Frage gestellt, die Druckerei in eine Plakatdruckerei umgewandelt. In dem Maße, wie sich die Bedürfnisse der Menschen verändern, wandeln sich bestimmte Räume, in denen man zusammenkommt, plant, besetzt, Strategien entwickelt und Pläne schmiedet. So beängstigend die Proteste auf manche wirkten, so erbärmlich und mickrig wirkten sie auf die Befragten – wie ein Käfer, der auf den Rücken gefallen ist.
Mich interessierte die theatralische Konnotation des Materials des Schweißvorhangs, da es einem Theatervorhang ähnelt, aber auch die Verbindung zum mentalen Bild des Schmiedens und Schweißens eines Projekts, eines Plans, einer Waffe herstellt. ‘In my mind it was more like a fever, radical, inflamed’ – das Thema der entzündeten Theatralität war der erste Impuls für den Werkprozess meiner Skulpturen.
Zum Interview (Englisch) mit Michel Auder über May '68 in '78.
Patrizia Bach
Im Kunstverein Freiburg
… MehrPatrizia Bach
VERGANGENHEIT, IN JEDEM IHRER MOMENTE ZITIERTER
(AM BEISPIEL ISTANBUL)
Ausstellungsort: Kunstverein Freiburg
Der ISTANBUL STADTPLAN von Patrizia Bach dokumentiert eine seit 2015 andauernde Recherche, in der die Künstlerin in weitläufigen Stadtwanderungen den Schichten von Geschichte nachspürt – immer fokussiert auf Randphänomene und vernachlässigte Aspekte.
Geleitet von geografischen Anhaltspunkten auf Amateurfotografien ging Bach zahlreiche Straßen verschiedener Stadtteile ab, um mögliche Korrelationen heutiger Orte mit jenen geschichtlichen Aufnahmen zu finden. Die privaten Fotografien, von denen sie in ihren 46 Wanderungen ausging, sind Teil des TOMIKO Archivs. In diesem sammelt, digitalisiert und verschlagwortet die Künstlerin seit 2006 Fotografien, die private Geschichten dokumentieren, mit Bedacht diese in ihren ursprünglichen Nachlässen zu bewaren. Fragen nach Mechanismen von Geschichtsschreibungen, ihren Leerstellen und der Instanz des Archivarischen geht die Künstlerin mittels ihres Archivs in zahlreichen Projekten nach.
Walter Benjamins Notizen zum Begriff der Geschichte als Leitfaden nehmend verschränkt Patrizia Bach verschiedene Geschichten mit Orten Istanbuls. Neben den Amateurfotografien arbeitet sie mit den regen Namensänderungen von Straßen und ganzen Stadtteilen und dokumentiert ihre Überschreibungen zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten seit 2015. Ihre akribischen Listen bilden diesen Umbenennungsverlauf ab, der Ausdruck veränderter politischer Haltungen und Geschichtsbilder ist und stellvertretend den Wandel der Stadt, seinem Repräsentationssystem und der Gegenwärtigkeit von Geschichte verstanden werden kann. (Mst)
Zum Workshop TOMIKO-ARCHIV und der Präsentation des digitalen Archivs.
Rahima Gambo
Im DELPHI_Space und Museum für Neue Kunst
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NEST-WORKS AND WANDER-LINES, 2021
Ausstellungsort: DELPHI_space und Museum für Neue Kunst
Rahima Gambo erkundet mit ihrer Installation NEST-WORKS AND WANDER-LINES Strukturen nonverbaler und nicht-linearer Erzählungen, indem sie Prozesse des Wanderns und der Bricolage nachahmt, die Pfade und Nestbauaktivitäten von Vögeln, Kuhherden und Termiten widerspiegeln. Nonverbale Kommunikationsmittel wie Bewegungen, Symbole, Zeichen, Gesten, Nachspüren und Stille werden in Gambos Installation als befreiender Modus des Seins, Sehens, Sprechens und Schreibens verstanden. Das Werk reflektiert den Ursprung der Sprache und was es bedeutet, räumlich zu sehen und kollektiv als Teil eines ökologischen Systems zu kommunizieren.
Der Werktitel spiegelt den sprachlichen Stil des Experimentalpädagogen Ferdinand Deligny wider, von dessen Schriften und Theorien sich Gambo inspirieren ließ.
Der Installation ging ein mehrtägiger WALK-WORKSHOP Anfang September voraus, in dem die Künstlerin und Teilnehmer*innen einzeln Morgenspaziergänge unternahmen, auf denen sie Dinge und Materialien sammelten: Steine, Blätter, Sounds, Videos, Bilder, Objekte oder Texte. Eine Auswahl dieser gesammelten Objekte sind nun in die Installation NEST-WORKS AND WANDER-LINES übergegangen. Dabei entsteht eine psycho-spirituell-geografische Erzählung, die sowohl innerlich und äußerlich als auch spezifisch auf jene Räume reagiert, die Gambo und die Teilnehmer*innen beschreiten. (AH)
Weiteres Video- und Textmaterial zur kollektiven Installation auf der Website der Künstlerin.
Thomas Geiger
In Kollaboration mit Birgit Heidtke, Sévérine Kpoti, Oliver Matthes und Dietrich Roeschmann im Kunstverein Freiburg
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BUST TALK – ILLUMINA
Ausstellungsort: Kunstverein Freiburg
In seinem für die BfF#1 konzipierten BUST TALK führte Thomas Geiger ein Gespräch mit der Illumina-Statue des Bildhauers Till Peter Otto im Stadtgarten Freiburg. Die als Sonnenuhr entworfene Marmorstele mit weiblichem Körper soll nach Auskunft Ottos die Diversität der Stadtgesellschaft abbilden. Für den Kopf der Statue stand ihm eine anonyme Freiburgerin mit eritreischer Herkunft Modell. 2014 wurde sie von Unbekannten beschädigt und ist bis heute in diesem Zustand verblieben. Seitdem fehlt der Statue der Kopf; aus der „Illumina“ ist die Enthauptete geworden.
Diese Leerstelle will Thomas Geiger mit BUST TALK diskursiv füllen und dabei unterschiedlichen Perspektiven auf diese Figur eine Stimme geben. Im Vorfeld traf sich der Künstler mit Vertreter*innen verschiedener Freiburger Initiativen und Institutionen zu einem Austausch über die Rolle der Statue, ihre Wirkung auf Betrachter*innen und eigene, etwa feministische oder rassismuskritische, Sichtweisen. Dazu gehörten Birgit Heidtke (Feministische Geschichtswerkstatt), Sévérine Kpoti (Here&Black), Oliver Matthes (Strassenzeitung FREIeBÜRGER) und Dietrich Roeschmann (Städtische Kunstkommission). Gemeinsam wurden mögliche Antworten der Statue auf die vom Künstler erarbeiteten Fragen gefunden.
Im fiktiven Zwiegespräch von Thomas Geiger und Illumina, die durch den Künstler zu den Betrachter*innen spricht, kommen die unterschiedlichen Perspektiven, aber auch die Ansicht der Statue selbst zum Ausdruck. In seinem kritisch-ernsthaften und zugleich humoristisch-eigensinnigen BUST TALK verhandelt der Künstler nicht nur Fragen nach (Un)sichtbarkeiten, Körperlichkeit und Öffentlichkeit im Allgemeinen, sondern fügt aktuellen Auseinandersetzungen mit (historischen) Denkmälern im öffentlichen Raum einen eigenen künstlerisch-performativen Beitrag bei. (CS)
Zum Video BUST TALK – ILLUMINA.
Niklas Goldbach
In der Kaiserwache und im Kunstverein Freiburg
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AUFSTELLUNG: FREIBURG, 2021
ALBUM (CUT TOGETHER – CUTTING THROUGH) #3, 2021
SAND, 2021
Ausstellungsorte: Kunstverein Freiburg und Kaiserwache
Die Arbeiten von Niklas Goldbach verhandeln die Beziehung von Architektur und Nekropolitik in ihren modernistischen Traditionen und postmodernen Erscheinungsformen. Seine Arbeiten sezieren architektonische Elemente und Konzepte, die sowohl als Kulisse als auch als Katalysator für (neo)liberale Subjektkonstruktionen dienen. In Freiburg zeigt Goldbach seine neue Fotoinstallation AUFSTELLUNG: FREIBURG. Der Titel spielt auf die therapeutische Methode der systemischen Familienaufstellung an, die versucht, unerkannte Dynamiken und Traumata in einer Familie aufzudecken. Ein Zeitungsartikel über die Vertreibung von Obdachlosen aus einem ehemaligen Atomschutzbunker in Freiburg bildet den Ausgangspunkt der Arbeit.
Die Installation stellt den Begriff des öffentlichen Raums in Freiburg und Umgebung in Frage und untersucht aktuelle Formen der Verdrängung, des Verfalls und der Liminalität. Die Foto-Serie zeigt verlassene Räumen und Infrastrukturen, die oft Obdach und Schutz für diejenigen bieten, die von der herrschenden Gesellschaft unsichtbar gemacht wurden. Während einzelnen Bilder durch Requisiten wie Schlafmatten gestützt werden, lehnen ungerahmte Fotografien prekär an Wänden und Säulen – ihre prekäre Positionierung erinnert zugleich an die Fragilität des Lebens.
Niklas Goldbachs fortlaufende und sich ständig weiterentwickelnde Videoinstallation ALBUM (CUT TOGETHER – CUTTING THROUGH) #3 vereint alle Bilder, die der Künstler seit 2013 bis zum Tag der jeweiligen Installation mit verschiedenen Kameras aufgenommen hat. Während er für seine fotografischen Serien sonst akribisch eine Bildauswahl trifft, kehrt ALBUM diese Praxis um: Chronologisch für die Dauer von zwei Bildern pro Sekunde kompiliert, evozieren mehr als 85.000 Bilder oft die Illusion von Stop-Motion-Techniken und offenbaren Goldbachs künstlerischen Prozess, in dem er Architekturen und urbanen Umgebungen scannt. Ausgestellt in den Räumlichkeiten einer ehemaligen öffentlichen Toilette und Cruising Area zeigen die Bilder alle Facetten von zeitgenössischem und queerem Leben ohne dabei zwischen Arbeit und Freizeit, öffentlichen und sehr privaten Bildern, der Dokumentation von exzessiver Freude und intimem Schmerz zu unterscheiden. Der unzensierte Bilderfluss aktiviert in den Betrachter*innen einen Bewusstseinsstrom über die eigenen gewöhnlichen und nicht ganz so gewöhnlichen Momente, über Erzählungen und Bilder, und über die eigenen Feiern eines vergänglichen und verletzlichen Lebens.
Darüber hinaus präsentiert Goldbach die erste Ausgabe von SAND, einem im Selbstverlag erschienenen monothematischen Fotoessay, der sich dem Porträt eines Gebäudes widmet. Als Straßenzeitungen verbreitet, ermöglicht SAND einen einfachen Zugang zur Architekturfotografie, der sich von Hochglanzfotos – wie etwa auf Immoblien-Websiten – unterscheidet. Die erste Ausgabe von SAND ist dem Gebäude der Schwarzwald Kurklinik Bad Rippoldsau-Schapbach gewidmet – einem ehemaligen Reha-Zentrum aus den 1970er Jahren, das 2011 geschlossen wurde und seitdem leer steht. (FH)
Die Zeitung zum Download als PDF.
Philipp Gufler
Im Kunstverein Freiburg
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QUILT#21 (Paul Hoecker), 2018
QUILT#23 (Wies Smals), 2018
QUILT#24 (C.), 2018
QUILT#25 (Ludwig II), 2019
QUILT#38 (Nino Cesarini)
LANA KAISER, 2020
Ausstellungsort: Kunstverein Freiburg
Philipp Guflers QUILT-Serie befasst sich mit queeren Gegenbildern zu bestehenden Narrativen. Die Quilts thematisieren Spannungen von privatem und öffentlichem Leben sowie Begehren, das von der herrschenden Geschichtsschreibung und ihren Institutionen ausgeschlossen wurde.
QUILT # 25 zeigt König Ludwig II., dessen homoerotische Freundschaften in Liebesbriefen nachvollziehbar sind, die in den 1990er Jahren in einer Auktion aufgetaucht sind. Die Namen ihrer Adressaten wurden vom Künstler auf den Quilt gedruckt. Der Maler Paul Hoecker (QUILT #21) musste 1898 von seiner Professur an der Akademie in München zurücktreten, da er angeblich einen männlichen Prostituierten als Modell für sein Madonnenporträt benutzt hatte. Später besuchte er den Dichter Jacques d‘Adelswärd-Fersen und dessen Geliebten Nino Cesarini (QUILT #38) in Capri. Wies Smals (QUILT #23) gründete 1974 De Appel in Amsterdam und hinterließ ein Vermächtnis zur Unterstützung freier Künstler. Die Skizzen für den Ausstellungsraum, die für den Quilt verwendet wurden, stammen von Smals‘ Lebensgefährtin Marijke van der Wijst und werden zusammen mit Fotos aus ihrem Privatarchiv gezeigt. QUILT #24 taucht weiter in den Bereich des Privaten ein und zeigt Fragmente von Tagebucheinträgen seines Protagonistens, C.
LANA KAISER ist eine Hommage an die deutsche Entertainerin, die der Öffentlichkeit meist unter ihrem Geburtsnamen Daniel Küblböck bekannt ist. Kaiser wurde 2002 in der ersten Staffel von Deutschland sucht den Superstar bekannt, wo sie schon bald zu einer Projektionsfläche für Diskussionen um Geschlechterambiguität wurde. (FH)
Hanakam & Schuller
Im BfF Besuchszentrum
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THE MOIST CABINET, 2021
Ausstellungsort: BfF Besuchszentrum, Münsterplatz 6
Der neue Film von Hanakam & Schuller entstand während des Studioprogramms der BfF#1 zwischen Mai und August 2021. THE MOIST CABINET geht vom Naturraum des Schwarzwalds und der langen Geschichte seiner zahlreichen Luftkurorte aus. Das Kunstduo bringt dabei artifizielle Gegenstände in Aufnahmen der feuchtigkeitsspeichernden Landschaft und des Speisesaals des gerade erst stillgelegten Sanatoriums St. Blasien ein – eine erdnussförmige Luftkammer, bunte Artefakte und Farbtafeln. Diese bewegen sich scheinbar von selbst oder werden von Darsteller*innen geführt. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Oberflächen: das feuchte Moos, die Struktur des Marmors, der spiegelnde Bach, die Pinselstriche auf den Landschaftsbildern des Malers Adolf Hillebrand. Das 2-Kanal-Video verschränkt diese Landschafts- und Innenräume.
THE MOIST CABINET ist vom Genre der Climate Fiction inspiriert, das sich literarisch mit Szenarien des Klimawandels befasst. Im Voice-Over sind Gedichte von Bettina von Arnim und William Shakespeare zu hören, jeweils im Original eingesprochen. Die Gedichte aus dem 16. und 19. Jahrhundert verstehen Hanakam & Schuller gewissermaßen als Prequel zur Cli-Fi. Beide scheinen miteinander im Dialog, zeugen dabei jedoch von unterschiedlichen Haltungen: bei Shakespeare dient die Naturbeschreibung als Katalysator sexueller Lust, bei Arnim löst die körperliche Naturbegegnung ein Bedürfnis nach Bewahrung der Quelle der erotischen Erfahrung aus: „Dein Schweigen, Natur, nicht brechen. / Nicht auf raschelndem Blatt / Mit dem Griffel dich wecken“. THE MOIST CABINET beschreibt so auch den Einfluss literarischer Narrative auf Natur-Mensch-Beziehungen und den daraus folgenden Handlungen. (LH)
Diane Hillebrand
Szenografie
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SZENOGRAFIE
Die von Diane Hillebrand für die BfF#1 entwickelte Szenografie stellt eine offene Struktur aus Stühlen, Tischen und Vorhangelementen her, die es ermöglicht, ortsspezifische Studiosituationen im öffentlichen Raum herzustellen. Aufgegriffen wird dabei das pandemiebedingt sichtbar gewordene Verlangen nach spontanen Zusammentreffen im Außenraum. Der Campingstuhl, der so eine Konjunktur erfahren hat, kann auch als Outdoor-Äquivalent des Museumshockers gelesen werden. Während der Museumshocker ergonomisch bedingt jedoch nur zum kurzen Verweilen einlädt, eignet sich der Campingstuhl zum Besetzen eines Ortes und zum Bilden von Lagern. Durch die szenografische Gestaltung werden solche Lager erzeugt – abgeschirmt durch und umstellt von Vorhangkonstruktionen als raumbildenden Elementen. Die Besucher*innen sind zudem eingeladen, sich an Tischen zu versammeln, die Spuren von vorherigen Arbeiten Hillebrands sowie von Objekten aufweisen, die in den jeweiligen Werkstätten weiterverwendet wurden.
Teile der Szenografie wurden in Kooperation mit der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe für das Symposion "A COMMONPLACE IS NOT A CLICHÉ" produziert.
Belinda Kazeem-Kamiński
In der Stadtbibliothek Freiburg
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LIBRARY OF REQUESTS #6, 2021
UNEARTHING. IN CONVERSATION, 2017
Ausstellungsort: Stadtbibliothek
Die LIBRARY OF REQUESTS von Belinda Kazeem-Kamiński ist ein Projekt, das sich mit Fragen der Bildung von etabliertem und marginalisiertem Wissen beschäftigt und sich insbesondere mit Ein- und Ausschlüssen bestimmter Gruppen auseinandersetzt. Es untersucht dabei Lücken und Leerstellen in Bibliotheken und sucht diese durch ausgewählte Werke zu schließen. Die LIBRARY OF REQUESTS #6 befasst sich mit dem Thema kolonialer Kontinuitäten: Wie mit den stetig aufkommenden Re-Artikulationen kolonialer Gewalt umgehen? Wie eine Vergangenheit fassen, die nicht vergangen zu sein scheint? Mit der zusammengestellten Präsenzbibliothek in der Stadtbibliothek Freiburg nähert sich die Künstlerin diesem Thema an und lädt Besucher*innen zur Lektüre ein. Auch in ihrem Film UNEARTHING. IN CONVERSATION (2017) untersucht Belinda Kazeem-Kamiński den Zusammenhang von Wissensproduktion und kolonialem Trauma: Am Beispiel der Fotografien aus der heutigen Republik Kongo des österreichisch-tschechischen Missionars, Autors und Ethnografen Paul Schebesta thematisiert der Film die gewaltvolle Geschichte von Archivmaterial ebenso wie Repräsentationsstrategien und Mechanismen des Othering.
Vika Kirchenbauer
Im Kunstverein Freiburg
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THE CAPACITY FOR ADEQUATE ANGER, 2021
Ausstellungsort: Kunstverein Freiburg
In ihrer Videoarbeit THE CAPACITY FOR ADEQUATE ANGER entwirft Vika Kirchenbauer eine persönliche und selbstreflexive Form der künstlerischen Kritik, die Produktions- wie auch Präsentationsformen von zeitgenössischer Kunst durch die Perspektive von Klasse betrachtet. Neben Fragen zu den Überschneidungen von negativem Affekt und politischem Handlungsvermögen, problematisiert die Arbeit Vorstellungen von sozialem Aufstieg, die das Feld der zeitgenössischen Kunst gleichzeitig produziert und voraussetzt. In einem essayistischen Ansatz wird zudem über die vielfältigen Bedeutungen von Distanz im subjektiven wie auch im sozialen Sinne reflektiert.
Die Rückkehr in ihr Heimatdorf nach über zehnjähriger Abwesenheit bildet den Ausgangspunkt für Kirchenbauers Videoarbeit. Fotografien, die auf dieser Reise entstanden sind, werden mit Scans von Kinderzeichnungen, CD-Booklets, Familienfotos und Basketball-Sammelkarten sowie mit neu kadrierten Szenen einer Anime-Serie kombiniert, die das Leben von Marie Antoinette anhand der Geschichte einer fiktiven und geschlechtsuneindeutigen Gardeoffizier*in nachzeichnet. Auf einer Grundschicht der Bilderlosigkeit flackern diese Bilder und Sequenzen ein und aus.
Sarah Lehnerer mit Jackie Grassmann und Inka Meißner
Im Kunstverein Freiburg
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A DAY’S WORK
Ausstellungsort: Kunstverein Freiburg
A DAY’S WORK befragt Formen der intimen Notation, wie sie etwa in Tagebuchaufzeichnungen oder in Korrespondenzen mit vertrauten Personen angewendet wird. Manchmal liegt im stoischen Akt, den Alltag am Abend am Tisch aufzuschreiben oder zu zeichnen, ihn in etwas zu verwandeln, das Bestand haben kann, auch jener periphere Akt, aus dem heraus künstlerische Arbeit entsteht. Für die BfF#1 haben Sarah Lehnerer, Jackie Grassmann und Inka Meißner im Verlauf der letzten Monate ein mehrteiliges Projekt umgesetzt. Im Rückgriff auf Recherchen im Tagebucharchiv in Emmendingen, dem einzigen seiner Art im deutschsprachigen Raum, wurden zwei Workshops entwickelt Zimmer ohne Wände und Echos als Antwort), die in kurzen Schreibübungen der Schwelle zwischen alltäglicher Notation und künstlerischer Produktion nachspüren.
Der erste Workshop, Zimmer ohne Wände, war dem Anfangen gewidmet: einem Beginn des Schreibens aus dem Nichts heraus, mit oder ohne bestimmte Intention – um im Bejahen der Unsicherheit im Moment des Losgehens eine produktive Form zu finden. Im zweiten Workshop, Echo als Antwort, stand der Versuch im Zentrum, sich Kräfte jenseits des Autor*innen-Ichs anzusehen, die den Text mit-schreiben. Die Übungen konzentrierten sich auf Formen, die das Schreiben annimmt, wenn man sich darin bewusst auf andere und anderes bezieht und diesen “Stimmen” eine Autonomie zurechnet.
Begleitet wurden die Workshops durch zwei Abendvorträge: Keren Cytter und Johanna Hedva gaben Einblicke in Arbeits-, Proben- und Schreibprozesse und griffen darin Themen der Workshops auf, etwa die Formalisierung bzw. Dramatisierung einer dem alltäglichen Beziehungszusammenhang unmittelbar entnommene Sprache und die Frage nach fehlenden Adressat*innen.
Die hier ausgestellte Installation umfasst sowohl Recherche als auch Workshops. Sie besteht aus mobilen Raumelementen, wie Paravent, Tischplatte und Sitzhocker, und Keramiken von Sarah Lehnerer. Textfragmente aus den Workshops bilden die Grundlage einer Videoarbeit von Jackie Grassmann und die Recherche im Tagebucharchiv wird ersichtlich in Form eines Readers von Inka Meißner. Das Display ist dabei keine Bühne für die Resultate, sondern die Behauptung eines gemeinsamen Arbeits- und Forschungsprozesses als künstlerischer Akt. In diesem werden Texte, Bilder und Räume gleichbehandelt und in einen temporären, spezifischen – und von außen nur fragmentarisch nachvollziehbaren – Zusammenhang gestellt, ähnlich der Leseerfahrung einer Tagebuchaufzeichnung.
Luiza Margan
Im Kunstverein Freiburg
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RESTAGING MONUMENT
Ausstellungsort: Kunstverein Freiburg
In der neunteiligen Fotomontage-Serie RESTAGING MONUMENT verschränkt Luiza Margan zwei zeitliche Ebenen: Archivaufnahmen aus dem Studio des Bildhauers Vinko Matković (1911–1973; Rijeka, Jugoslawien) werden durch Fotografien erweitert, die wiederum Margan in ihrem Atelier zeigen.
Bei der Arbeit porträtiert, posiert Matković neben der entstehenden überlebensgroßen Skulptur, die heute als Allegorie der Freiheit, von zwei Partisanen flankiert, auf einem 19 Meter hohen Pfeiler über Rijeka thront. Das Denkmal für die Befreiung Rijekas erinnert an das antifaschistische Erbe der Widerstandskämpfer*innen im Zweiten Weltkrieg. An diesem höchsten Monument der Stadt führte Margan 2014 die Aktion EYE TO EYE WITH FREEDOM durch, die der konzeptuelle Ausgangspunkt für RESTAGING MONUMENT ist. Teilnehmer*innen wurden mit einem Kran auf Augenhöhe mit der Allegorie der Freiheit gehoben, um einen wortwörtlichen Perspektivenwechsel zu initiieren und somit auf Hegemonien gedächtnispolitischer Darstellungen aufmerksam zu machen.
RESTAGING MONUMENT greift Aspekte der vorangegangenen Aktion auf, indem die Künstlerin die schwarz-weißen Fotografien Matkovićs aus den 1950er Jahren in ihrem historiografischen Kontext untersucht und sie mit Aufnahmen aus ihrem eigenen Studio collagiert. Margan stellt eine Verbindung zwischen ihrem Körper und dem der weiblichen Figur her – der einzigen Figur der Gruppe, die explizit allegorisch dargestellt wird. Damit verweist Margan auf die Bedeutung von Gender in historischen Narrativen und stellt gleichzeitig das Performative von Monumenten und ihrem Verhältnis zu gesellschaftlichen Geschichtsbildern heraus. (MSt)
Weitere Arbeit von Luiza Margan für die BfF#1:
MONUMENT IN THE MAKING: ROSA LUXEMBURG
Performativen Aktion von Luiza Margan
Kriz Olbricht
Im Kunstverein Freiburg
… MehrKriz Olbricht
OP D’R ECK, 2021
THROW UP, 2021
Ausstellungsorte: Kunstverein Freiburg, öffentlicher Raum
Kriz Olbricht verknüpft mit der Soundinstallation OP D’R ECK den Außen- mit dem Innenraum, indem er den Eingangsbereich des Kunstvereins als Schwelle zwischen der lauten und vielbefahrenen Straße vor dem Gebäude und dem Ausstellungsraum im Inneren markiert. Olbricht setzt Sensoren ein, die Bewegungen an verschiedenen Orten aufzeichnen, in Klangsignale umwandeln und diese an einem Ort bündeln. Aus dem Hinweiston, der eigentlich auf den Eintritt von Kund*innen oder Besucher*innen aufmerksam machen soll, wird so eine Soundcollage. Welche Bewegungen die Sensoren aktivieren, bleibt für die Besucher*innen dabei unklar.
Die Arbeit verweist einerseits auf die in Köln, am Wohnort des Künstlers, allgegenwärtigen Kioske, die mit einem bestimmten Typ von Durchgangsmeldern zur Soundscape der Stadt beitragen. Andererseits bezieht sich Olbricht auf das Album On the Corner von Miles
Kriz Olbricht fügt damit anlässlich der BfF#1 ein neues Element zum Kunstverein hinzu, für den er bereits 2018 mit der Arbeit BLIND PIG eine Bar eingerichtet hat, die für Veranstaltungen genutzt wird. Wie die auf wenige Bestandteile reduzierte Bar, nimmt auch OP D’R ECK grundlegende, infrastrukturelle Elemente von kleingewerblichen Orten in den Blick, die das soziale Leben und den Charakter einer Stadt wesentlich prägen. Diese Elemente werden nun transformiert und auf den Kunstverein bezogen. (LH)
Andreas von Ow
Im Kunstverein Freiburg
… MehrAndreas von Ow
GRÜN (FREIBURG), 2021
Ausstellungsort: Kunstverein Freiburg
Mit seiner Malerei stellt Andreas von Ow die Materialität von Farbe und deren Wahrnehmung in den Mittelpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung. Ausgehend von seinem Malereistudium arbeitet er dabei seit einigen Jahren vermehrt mit Glas, das er in verschiedenen Korngrößen zu Farbpigmenten zermahlt und, angereichert mit Bindemittel, auf einem Bildträger mehrschichtig zu sogenannten Farbmalereien verdichtet.
Für diese Farbmalereien begibt sich der Künstler zunächst auf Materialsuche im städtischen Raum oder der unmittelbaren Umgebung. Indem von Ow nach beispielsweise grünen Glassplittern oder roten Bruchstücken von Autorücklichtern sucht und anschließend Farbpigmente aus diesem Rohmaterial herstellt, avanciert der Herstellungsprozess der Werke selbst zum Bestandteil seiner Kunst.
Für die BfF#1 legte der Künstler den Fokus auf die Farbe Grün und unternahm mit den Teilnehmer*innen des Studioprogramms einen Spaziergang durch verschiedene Bezirke Freiburgs, auf der Suche nach grünem Glas. Beim Gehen und gleichzeitigen Einsammeln des Grüns aus dem Stadtbild wurden indirekt Fragen verhandelt: Wie verändert sich der eigene Blick auf das Stadt- und Landschaftsbild, wenn man auf eine einzelne Farbe fokussiert ist? Was erzählen die Spuren von grünem Glas über den Ort? Und was passiert mit unserem Farbsehen und mit unserer Wahrnehmung der Umgebung, vor, während und nach dem Spazieren? (CS)
Liesl Raff
Im Pförtnerhaus
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SCHWINDEL
Ausstellungsort: Pförtnerhaus
In der Welt der Märchen, Mythen und populären Sagen gibt es fast immer Figuren mit der besonderen Gabe, sich von einem Moment zum anderen völlig zu verwandeln. Ob die komödiantischen Archetypen Harlekin und Kolumbine oder Trickster, Gauner und Formwandler – alle haben die Fähigkeit, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und bestehende Ordnungen für einen Moment auszuhebeln. Liesl Raff überträgt diese Fähigkeiten auf Materialien, die durch ihre skulpturalen Eingriffe ebenso frei und wandelbar erscheinen und sich, wie die genannten Charaktere, zwischen verschiedenen Zuständen bewegen.
Ihre Installation SCHWINDEL, die für die Ausstellung der BfF#1 im 2015 gegründeten Offspace Pförtnerhaus entwickelt wurde, besteht aus zwei Elementen: einem Latex-Vorhang gehalten von eingegossenen Seilen, der wie eine zweite Haut oder ein abgestreiftes und aufgehängtes Kostüm wirkt, sowie LASSO OF TRUTH 1 – 3. Die Aluminiumgüsse verschlungener, ebenfalls aus Latex und Seilen bestehender Bänder zeigen das Material in verschiedenen Transformationsstufen: Es erinnert an menschliche Haut oder Leder, nimmt antiphallische Formen an, verändert sich mit der Zeit, wird spröde, beginnt Geruch zu entwickeln und wird schließlich in Aluminium gegossen – zerstört und gleichzeitig konserviert. SCHWINDEL ist als materielle Entsprechung der flüchtigen und unbändigen formwandelnden Charaktere zu verstehen, die uns überraschen, weil sie es vermögen sowohl gesellschaftliche wie auch physische Zustände aus dem Gleichgewicht zu bringen. (LH)
Young Boy Dancing Group
Young Boy Dancing Group
PERFORMANCE
18.9.2021, Hans-Bunte-Areal, 20 Uhr
Die Biennale für Freiburg #1 freut sich, eine neue Performance der Young Boy Dancing Group in Freiburg zu präsentieren. In den intimen Performances der Young Boy Dancing Group (YBDG) trifft die Materialität der Körper auf sphärisches Licht und durchdringenden Sound. Das Ziel ist dabei stets körperliche Erkundung statt Sexualisierung, Entblößung statt Exhibitionismus, gemeinschaftliche Befreiung statt gezähmter Isolation, Objekt-Identifikation statt Kommerzialisierung, DIY statt institutioneller Politur.
Das 2014 gegründete Performance-Kollektiv arbeitet dabei mit einem sich ständig verändernden Netzwerk von Tänzer*innen aus ganz Europa zusammen und nimmt an jedem Veranstaltungsort neue Perfomer*innen auf, mit denen sie meist über die Social-Media-Plattformen Instagram und TikTok in Kontakt treten. Die öffentlichen Performances und vorbereitenden Proben in verschiedenen Städten und Kontinenten sind damit auch ein physischer Treffpunkt für virtuelle Netzwerke.
Kaiserwache
ehem. Toilettenhäuschen Kaiserbrücke/Schreiberstraße
Do 12–20 Uhr, Fr–So 12–18 Uhr,
Mo–Mi geschlossen
Map
Museum für Neue Kunst
Marienstraße 10 A
Di–So 10–17 Uhr, Do 10–19 Uhr,
Mo geschlossen
Museum für Neue Kunst
Marienstraße 10 A
FILMPROGRAMM
Patricia Esquivias, Rahima Gambo, John Smith, Milica Tomić
Das Filmprogramm der BfF#1 erweitert mit vier vom Kuratorischen Beirat und dem künstlerischen Leiter ausgewählten Filmen die thematischen Fäden des Ausstellungsparcours auf die Leinwand: Die in Europa und Afrika angesiedelten Videoarbeiten erforschen den Umgang mit urbanem Raum und mit Geschichte, die mit einem bestimmten Ort oder einer bestimmten Struktur verbunden ist. Während alle Arbeiten Film als Medium verwenden, dokumentieren einige von ihnen performative Interventionen oder führen vielschichtige künstlerische Projekte weiter. In A WALK (2019) setzt die britisch-nigerianische Künstlerin Rahima Gambo Gehen, Materialsammlung und Poesie als Strategien ein, um die traumatischen Angriffe auf Schulen in Nigeria in eine Bildsprache zu übersetzen. BRAVE WOUNDED BLOWS (2019) der venezolanisch-spanischen Künstlerin Patricia Esquivias untersucht die Schließung einer ehemaligen Metallwerkstatt, um neoliberale Veränderungen in der Stadt Madrid zu thematisieren, während BLIGHT (1994–96) des britischen Filmemachers John Smith den Abriss von Wohnhäusern in London für den Autobahnbau in eine Fiktionalisierung um Baumaterialien, Bauarbeiter und Bewohner verwandelt. Der Film ONE DAY, INSTEAD OF ONE NIGHT, A BURST OF MACHINE-GUN WILL FLASH, IF LIGHT CANNOT COME OTHER WISE (OSKAR DAVIčO) (2008–2009) der serbischen Künstlerin Milica Tomić bezieht sich auf den historischen Kontext Belgrads und stellt eine Verbindung her zwischen der antifaschistischen Bewegung und der aktuellen Situation in Serbien und darüber hinaus. Der Film wird auf der BfF#1 erstmals im Rahmen eines kuratierten Filmprogramms präsentiert, weshalb es den Kurator*innen ein Anliegen ist, diesen Kontext in Milica Tomićs künstlerischer Praxis hervorzuheben. Während die vier präsentierten Filme sich mit jeweils sehr spezifischen Situationen und lokalen Gegebenheiten auseinandersetzen, weisen sie doch alle auf eine übergreifende, globale Stimmung der Gegenwart hin.
Angesichts des rasanten Wandels von Madrid fragt Patricia Esquivias nach jener anderen Stadt, in der die Arbeit von Handwerkern und Künstlern Teil des Stadtbildes war und die nun verschwindet. Aus dieser Überlegung heraus befasst sie sich mit dem materiellen Charakter einer neuen Wirtschaftsordnung, in der das Handwerk nicht mehr lebensfähig zu sein scheint und nur noch als Erbe bewahrt wird, das in der Vergangenheit verankert ist, keine Gegenwart mehr hat und in Museumsstücke verwandelt wurde – weit entfernt von Alltag, zu dem es einst gehörte. Patricia Esquivias erkundet die stillgelegte Kunstgießerei der Familie Barrera in der Calle Casarrubuelos in Chamberí, wo sich drei Generationen der Kunstschmiedekunst widmeten, sowie das Universum des Schmiedehandwerks, das die Stadt ausschmückte, in der die Zunft ausgebildet wurde und arbeitete.
Can we walk as a response to this?
Das ist eine der ersten Fragen, die Rahima Gambo in ihrem Video A WALK stellt. Für die Künstlerin ist das Gehen ein narrativer Akt und so sammelt sie auf ihren Spaziergänge Objekte, die sie in ihre Zeichnungen und Installationen integriert. Ihre Praxis des Gehens entwickelte sie während der Recherche der ansteigenden Selbstmordattentate im Nordosten Nigerias. Unsicher, wie sie diesem Entsetzen begegnen soll, begibt sie sich auf den Weg, um im Gehen die Informationen zu sammeln, die sich unter der Oberfläche dessen befinden, was sie mit ihren eigenen Augen wahrnehmen kann. Dabei wird der Weg zu einem Ort der Erinnerung und des Wissens, gleichzeitig verschiebt sich der Fokus und verschiedene Wahrnehmungen verschmelzen miteinander. Das Gehen umfasst unterschiedliche räumliche und zeitliche Wissenssysteme und ist für die Künstlerin ein Versuch der Heilung, indem Auseinandergerissenes und vereinzeltes Material zusammengeführt wird. Auch in ihren Collagen, Assemblagen, Fotografien und Videostills fühlt der Betrachter diesem Prozess des Neuentstehens aus dem Alten nach, das sich doch essenziell von Bestehendem unterscheidet: „Not a woman, not a plant, not a picture, not a drawing, not a body, not a landscape, not a photograph, not a sculpture, not stillness and not movement.“ (AH)
BLIGHT wurde in Zusammenarbeit mit der Komponistin Jocelyn Pook realisiert. Der Film dreht sich um den Bau der M11 Link Road im Osten Londons, der eine lange und erbitterte Kampagne der Anwohner auslöste, um ihre Häuser vor dem Abriss zu schützen. Die Bilder im Film halten einige der Veränderungen fest, die in dem Gebiet über einen Zeitraum von zwei Jahren stattfanden, vom Abriss der Häuser bis zum Beginn der Bauarbeiten an der Autobahn. Die Tonspur enthält natürliche Geräusche, die mit diesen Ereignissen in Verbindung stehen, sowie Sprachfragmente, die aus aufgezeichneten Gesprächen mit Anwohnern stammen. Obwohl der Film vollständig aus Aufzeichnungen realer Ereignisse besteht, ist BLIGHT kein reiner Dokumentarfilm. Der Film, der sich mit den Themen Erinnerung und Verlust befasst, konstruiert Geschichten aus unzusammenhängenden Ton- und Bildfragmenten und verschmilzt so disparate Erinnerungen und zeitgenössische Ereignisse. Wie viele andere Arbeiten von Smith nutzt auch BLIGHT die Mehrdeutigkeit des Materials, um neue Bedeutungen und Metaphern zu erzeugen, und fiktionalisiert die Realität durch Bildgestaltung und Schnittstrategien. Oftmals werden Szenen in Großaufnahme gezeigt, um durch das Zurückhalten von visuellen Informationen ein Gefühl von Geheimnis und Vorfreude zu erzeugen. Die emotionale Kraft der Musik wird im Film genutzt, um diese Erfindung deutlich zu unterstützen und alltäglichen Bildern eine dramatische Bedeutung zu verleihen. Ein spezifischer „realer“ Kontext für die dargestellten Ereignisse wird erst am Ende des Films deutlich. Was gezeigt wird, ist gleichzeitig Fakt und Fiktion.
"Im Herbst 2009 besuchte ich über einen Zeitraum von zwei Monaten bestimmte Orte erfolgreicher antifaschistischer Aktionen, die von jugoslawischen Partisanen und Belgrader Bürgern gegen die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkriegs durchgeführt wurden. Die bei diesen wiederholten Spaziergängen aufgenommenen Fotos und Videos sind Dokumente einer Intervention mit dem Ziel, ein immaterielles Denkmal an Orten zu schaffen, die nicht Teil des öffentlichen Gedächtnisses sind. Das Video stellt eine Verbindung zwischen den verschiedenen Orten her. Durch den Schnitt wird eine künstliche Landschaft geschaffen, eine Anspielung auf die vom russischen Avantgarde-Filmemacher Lew Kuleschow in den 1920er Jahren erfundene Filmtechnik, bei der verschiedene Orte, Plätze und Zeiten an einem gleichbleibenden Ort zu einer kontinuierlichen Zeit aufzutreten scheinen. Der Spaziergang ist eine Kontinuität zwischen Orten, die den Verlust der Erinnerung teilen – keine Markierung oder Zeichen verweist auf die Geschichte der erfolgreichen Aufstände der Volksbefreiungsbewegung. Und der Spaziergang, der zwischen den Bewegungen des alltäglichen Lebens in Belgrad stattfindet, schafft eine Kontinuität zwischen der besonderen Erinnerung an die Ereignisse der Vergangenheit und der gegenwärtigen Situation. Dies wirft die Frage nach dem heutigen Antifaschismus und seiner Auslöschung aus der öffentlichen Geschichte und dem öffentlichen Gedächtnis auf, in diesem Fall in den ehemaligen jugoslawischen Ländern. Dieser Fall scheint jedoch exemplarisch für bestimmte Geschichten zu sein, die von offizieller Seite nicht anerkannt werden und somit nicht in den öffentlichen Raum gelangen. Aber die Geschichten sind immer noch präsent: Der Ton im Hintergrund des Videos ist aus einer Reihe von Interviews zusammengesetzt, die ich mit Protagonist*innen des antifaschistischen und kommunistischen Kampfes in Jugoslawien geführt habe und die Teil des Volksbefreiungskampfes waren. Heute ist es leicht, den Faschismus in seinen exzessiven Formen zu erkennen, aber was ist mit dem Faschismus, der uns überall umgibt, der auf den ersten Blick nicht leicht zu erkennen ist, der aber in die Gesetze und die Verwaltung eingebaut ist? Was ist mit den Ereignissen der Vergangenheit und der Gegenwart, die dem öffentlichen Gedächtnis vorenthalten werden?" (Milica Tomić)
Eine Dekade Schlaf
26.10.2021 / Grassmann/Hedva
Als Teil des mehrteiligen Projektes A DAY'S WORK sprach Johanna Hedva im Juli über ihr Buch MINERVA THE MISCARRIAGE OF THE BRAIN. Dabei las Jackie Grassmann ihre Übersetzung des Textes, die wir hier veröffentlichen.
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26.10.2021 / Grassmann/Hedva
JOHANNA HEDVA
EINE DEKADE SCHLAF
„Du musst nicht um die Toten trauern: Sie wissen schon, was sie tun“ - Clarice Lispector
ERSTENS
Ich schlafe 10, 11 Stunden jede Nacht, und das nicht wie die Toten, sondern als ob ich fortwährend sterbe, als ob ich wirklich lebe. Jedes Mal wenn ich einschlafe, seit ich mich das erste Mal erinnere als Kind eingeschlafen zu sein, wenn das klösterliche Schwarz hereinbricht, dieses Schwarz, wie ein Haus, ein Himmel, eine Fallgrube, denke ich, ich werde nie wieder aufwachen, das war’s, und dieses sein wird bald ein gewesenes sein. Ein Schock der Todesangst packt mich, manchmal fahre ich dann senkrecht nach oben, jahrelang habe ich laut ausgerufen „Ich will aber nicht sterben!“ und mich dann wieder hingelegt und tief geschlafen, mein Schlaf, der sich mit seiner eigenen queeren-intelligenz dahinwindet, ich, die erstickt wird von meinen Träumen, stelle mich ihren Streichen, bis zum Mittag des nächsten Tages, wenn das Erwachen mich findet und mich, wie eine glitschige Hand die ihren Weg durch schwarzes Wasser sucht, wieder aufrichtet, das Licht durchsickert, und dann, mit einem langen behutsamen Atemzug, ein Tag mit einem Ich darin geboren ist. Ich schlafe bis zum Mittag und nichts kann mich wecken. Den Leuten erzähle ich, dass ich morgens arbeite und dabei nicht gestört werden darf. Ich schlafe, ich arbeite. In meinen Träumen arbeite und arbeite und arbeite ich, die harte blanke Arbeit, die in diesem Bereich eben verrichtet werden muss. Ich habe ausschließlich Alpträume – wie ich bereits gesagt habe, harte Arbeit! Ich töte Leute mit meinen bloßen Händen, weil sie mich, oder diejenigen, die ich beschützen soll, bedrohen. Manchmal kenne ich die Menschen in meinen Träumen, die Bedrohungen, meine Schützlinge, mich selbst – und manchmal sind sie mir alle Fremde, und so zu gleichen Teilen mystisch aufgeladen (anagogic) und (bathetisch) abgedroschen – beides ist mir ein Begriff.
Manchmal lauert die Bedrohung nicht in den Menschen, sondern in der Luft. Der Himmel ist ein atmendes Grün, jedes Gebäude birgt ein Labyrinth, kein Bett entspricht meiner Größe, Tunnel, Badewannen, gehören nicht zu mir. Ich töte langsam und auf brutale Weise. Ich reiße Büschel an Haaren aus, bis sie nur den Schmutz der Kopfhaut zurücklassen, wie Unkraut, das man an den Wurzeln herauszieht. Ich fühle die Muskelstränge unter meinen Fingernägeln, wenn ich mich durch die Haut durchkratze, mich zum Inneren der Knochen durcharbeitend. Ich beobachte, wie Versionen von mir ertrinken, während ich in Körpern von Kindern stecke, deren Fleisch von Wellen zerfetzt wird, ihre kleinen Hälse gebrochen, wache ich über ihren zerschlagenen Körpern und überlasse sie dem Ertrinken, weil ich nur atmen kann, wenn ich mich von ihnen lossage. Ich koche die Knochen meiner Mutter in meinen Träumen, weil sie es mir so befiehlt; sie, ein schwarzes Loch hinter meinem Rücken, sagt mir, in mein Ohr flüsternd, dass ich es bin, die den Scheiß in unserer Familie aufräumen muss, ich die Stückchen von ihrem Fett wegwischen muss, die sich auf der Wand, an der Decke und dem Boden festgesetzt haben. In meinen Träumen bin ich mit drei Schwänzen gesegnet und ich benutze jeden einzelnen brutal und mit Präzision und mit wilden zielstrebigen Stößen, ich zerreiße Leute mit ihnen und lasse mich zerreißen. Unermüdlich bin ich in meinen Träumen auf Händen und Knien, ich falle immer aus großen Höhen. Ich liebe meine Träume dafür, dass sie so simpel und klar sind, für ihr Erbarmen.
Mein Schlaf behandelt mich gut. Ich behandle meinen Schlaf auch gut, behandle ihn wie eine Adelige, räume Termine aus dem Weg, um seine Ankunft zu erwarten. Ich bestehe auf meinen Schlaf, weil irgendeiner muss es machen. Professional gesehen, sozial gesehen, ist das schwer. „Könntest du dich schon früher treffen?“, „Die einzigen freien Termine sind morgens“ „Wir haben mittags geschlossen“. „Die günstigsten Flüge gehen am Vormittag“. Tut mir leid, sage ich. Ich kann nicht. Ich bin nicht verfügbar. Ich bin nicht verfügbar irgendetwas zu machen, bevor es mittags ist. Weil ich schlafe, weil ich arbeite, weil ich dann die bin, die ich am ehesten, am allermeisten bin und das werde ich für nichts aufgeben, und schon gar nicht für sowas imaginäres wie Zeit oder Geld.
Ich habe den größten Anteil dieses Buches, vielleicht sogar alles darin, im Schlaf geschrieben, was möglicherweise für alle meine Bücher gilt. Wer kann schon sagen, ob ich jetzt wach bin? Du etwa? Ich schreibe, sobald ich aufgewacht bin, aber erst durch das Schreiben werde ich richtig wach. Ich öffne meine Augen, spreche nicht und die Träume dieses Schlafes wehren sich mit allem was sie haben gegen eine unrechtmäßige Aneignung, sie gehen nicht einfach leise. Ich gehe an meinen Schreibtisch, ich spreche nicht, sodass sie sich vielleicht weiterhin wehren, und wenn ich irgendetwas anderes mache, als an meinen Schreibtisch zu gehen, meinen Schreibprozess zu beginnen, sind die Träume sehr schnell entthront mit einem brutalen Schnitt, der endgültig ist, zumindest bis zur nächsten Nacht. Ihr müsst verstehen, dass es nicht „mein“ Schlaf ist. „Ich“ gehöre „ihm“.
Ein Lyriker hat mich mal gefragt, wo ich mich während hypnagohischen Zuständen befinde, wer ich werde. Diese Frage geht davon aus, dass das „Ich“ woanders existiert, als jemand Anderes, dass das „Ich“ überhaupt existiert. Er fragte mich, wem ich währenddessen begegne, welche Geschöpfe mir erscheinen, und die Antwort ist, alle, die ich je gekannt habe, in diesem und in anderen Leben, nie erfahre ich aber ihre Namen. Namen haben keinen Stellenwert in Träumen, sie erweisen sich als genau das trügerische Ding, das sie sind.
Namen, Worte, Geld, Zeit.
Der Mond, Magie, meine Mutter.
Die Last der Wahrheit ist manchen gegeben, und manchen nicht. Das kommt natürlich auf den Ort an. An manchen Orten herrschen der Mond, Magie und meine Mutter, und sie sind ein Wunder und sie sind auch Nahrung, ganz gewöhnliche, nächtliche Nahrung.
Als Ann Carson, ihr Gedicht „Eine Ode an den Schlaf“ mit der Zeile „Stell dich dir ohne vor“ begann, muss sie in sich hineingegrinst haben, ein schmales Lächeln auf ihren Lippen. Sie kommt mir vor, wie eine Person, die oft in sich hineingrinst, ihr Schreiben ist von Leerstellen durchzogen. (Kannst du sie nicht sehen, lieber Leserin? Ann Carson, die auf meinen Schultern hockt, während ich das hier schreibe?). Stell dich dir ohne es vor. Der Witz an diesem Satz ist, ihn und sich selbst darin umzutauschen – stell es dir ohne dich vor – jetzt kommen wir der Struktur dieses Ortes schon näher, wie doppelzüngig er ist, ständig seine Form verändernd.
Es gibt viele Selbste, die ich in meinem Schlaf treffe, wie im Leben auch. Sie wandern über den inneren Bildschirm, tauchen kurz auf, oder sitzen still am Rand, die Formen im Hintergrund verschwommen. Ich mag den Gedanken, dass alles und alle im Traum eine Repräsentation der Träumenden sind. Ich bin nicht nur der riesige schwarze Wal unter der Oberfläche des schwarzen bedrohlichen Wassers, ich bin auch das Wasser. Ich bin das kleine Boot, das meine Körpergröße hat, das von den Wellen geschaukelt wird, und ich bin die Wellen. Was mich daran tröstet ist nicht, dass dies eine Welt nahelegt, die ausschließlich aus mir selbst besteht, wo ich im Überfluss vorhanden und viele auf einmal bin, sondern eher, dass mein Selbst mir fremd, es wimmelnd und unzählbar ist, dass mein Körper in unzähligen Fremden existiert, und auch als nicht-menschliches Wesen, als Ozeane, Objekte, Tiere – als das Wetter. Das ruft das Gefühl hervor, dass mein Selbst weit weit weg ist, stets unerreichbar, weiter als das Licht reisen kann. Bis das Licht meines Selbst die äußeren Satelliten meines Selbst erreicht, ist jeglicher Ursprung längst erloschen, und nur die Richtung – darauf zu oder davon weg – bleibt übrig und da der Nachthimmel bekannterweise ein Land der Geister von Sternen ist, ist alles was ich bin, was auch immer es da alles gibt, was ich bin, nur noch Leichenstaub, Planetengräber, und diese Entfernung ist absolut und ganz gewöhnlich, das schiere Faktum schwer und belastend. Darin bin ich verankert. Das ist kein großes Ding. Es sind einfach viele.
Minerva und die Fehlgeburt des Gehirns wurde nicht als ein Buch geboren, sie wurde gar nicht erst gezeugt. Mutterlos entsprang sie meinem Kopf; Sie ist mit den Geistern gekrochen und war eine Schule dieser Geister. 2015 habe ich bemerkt, dass manche Werke, die ich in den letzten Jahren gemacht habe, DNA teilen; 2016 fing ich an, einzelne Teile konzeptlos in einem Dokument zusammenzutragen, dass mir albern und grobschlächtig vorkam, wie eine Person, die ein Wort immer und immer wieder wiederholt, bis sie es schreit und die Bedeutung sowohl aus dem Wort schwindet, als auch aus der Entscheidung es zu schreien und die Luft mit dem Klang verbleibt - wahnsinnig nicht aufgrund seiner faktischen Existenz, sondern wegen der anarchischen Erkenntnis, dass das Existieren ein einziges Chaos ist. Sowohl das Dokument, als auch der Akt es zu konstruieren, haben sich so angefühlt. Es hat mich jung fühlen lassen. Eine Meisterleistung – in diesem Buch geht es darum, wie ich alt bin.
Das Buch, dass du in den Händen hältst, hat wenig Ähnlichkeit mit dem ersten Manuskript, abgesehen davon, dass der erste und letzte Teil nach wie vor als erstes und als letztes kommen, sie die Anker sind, alle Eingeweide in der Mitte ergriffen und liebkost und wieder in Besitz genommen wurden; ich finde nicht, dass es meine Verantwortung ist zu Wissen was es geworden ist, nur dass es ist, und dass es gewesen ist. Es gibt den Schlaf und Wahnsinn und Mystik, das Entsetzliche des Lebens, das transzendent und banal ist, immer beides unaussprechlich zusammen, und jeden Tag dazu aufzuwachen beschwört seine eigene Melodie. Der Körper ist immer da, aber die Frage ist, wie man ihn in den Hintergrund drängt, wie man ihn in Nebel verwandelt, und wie man damit umgeht, wenn das unweigerlich scheitert. Ich dachte, sie würde mein erstes Buch werden, etwas, für das ich mich schäme, wofür ich mir vergeben und was ich in der Vergangenheit gelassen hätte. Ich habe in Räumen geschrieben, ich habe meine Hand durch Wasser geschleift, ich habe geschlafen, geschlafen, geschlafen und geschlafen. Ich schreibe.
In den 4 Jahre, in denen ich mich darum bemüht habe, dass sie veröffentlicht wird, veränderte Minerva ständig ihre Form und war nicht in den Griff zu bekommen und ich kann nicht sagen, ob ich Odysseus war und sie Penelope, oder andersherum. Wie Odysseus zog sie in die Welt hinaus, vielleicht um einen Kampf zu kämpfen, vielleicht um berühmt zu werden, vielleicht hatte sie sich auch nur verirrt, sie odyssierte durch zwei Verlagsabenteuer, die geplatzt sind und ich habe auf sie gewartet und mich danach gesehnt, dass sie ein Zuhause findet. Während dieser Zeit habe ich Leichentücher, andere Wörter und andere Bücher gewebt und ich habe mich beraubt gefühlt und war misstrauisch: als Minerva zurückkehrte, konnte ich nicht glauben, dass sie es war, ihr Gesicht hatte sich verändert, sie war so lange unterwegs gewesen. Oder war ich es gewesen, die das Zuhause verlassen hatte, sich durch das dunkle, weinfarbene Meer arbeitend, die von Sirenen verführt worden war, entführt von einer Hexenmeisterin, schiffbrüchig, bis ich endlich meinen Weg in ein Bett gefunden hatte, das sich nicht bewegte.
Bücher sind kleine Särge. Ein Professor von mir hat das mal zu mir gesagt und es ist wahr.
Ah – natürlich – ich war auch Homer.
Minerva hat mich verspottet. Ich habe Freunde um Rat gebeten, ist das überhaupt zu was gut? Es war nicht nur, dass sie weiterhin abgelehnt und als Weise zurückgelassen wurde, es war eher, wie jemandem dabei zuzuschauen, wie sie sich selbst auseinandernimmt, ein neues Gesicht aufmalt, und in Häute schlüpft, die viele Namen tragen, von denen keiner richtig war. Sollte ich Ehrfurcht vor dieser Fähigkeit haben, oder sollte ich ihr misstrauen? Vielleicht ist das das gleiche. Der Hauptgrund, warum ich wollte, dass Minerva veröffentlicht wird, warum ich sie immer wieder ausgesendet habe - was sich anfühlte wie ein Kind in eine Grube zu stoßen, die immer größer und länger wurde - war, dass ich die Zeit auslöschen wollte, die sie dokumentiert. Meine Dekade fing mit einer Scheidung von einem gewalttätigen Ehemann an und einer Fehlgeburt, ausgelöst durch eine Erbkrankheit, es segelte weiter zu einer unfreiwilligen Einweisung und endete mit dem Tod meiner Mutter. Ich wollte Minerva nie wieder sehen, wegen dem, was ich gesehen hatte, als ich hingesehen hatte.
„Ah ich verstehe“ sagte mein erste*r Verleger*in zu mir „du verstößt deine Arbeit in die Welt.“
ZWEITENS
Bataille sagte: "Ich halte die Gottesvorstellung ... für ein Hindernis in der Bewegung, die uns zu der undurchsichtigen Erkenntnis des Nichtwissens führt: einer Gegenwart, die sich in keiner Weise mehr von einer Abwesenheit unterscheidet.
Ich bevorzuge Worte, die mehr als eine Sache bedeuten. Wie das englische Wort apprehension: die Angst oder Befürchtung, dass etwas schlimmes passieren wird. und apprehension: verstehen und begreifen.
Beides meint das Gleiche.
DRITTENS
Viele Jahre hatte ich einen Teil in meinem Lebenslauf, der nannte sich Appearances, (Was im deutschen soviel bedeutet wie: Erscheinungen). Dort wurden Talks und Vorträge aufgelistet, die ich gehalten habe und Träume von anderen Leuten, in denen ich erschienen war. Es waren die Träume von Freund*innen, Texte und Emails, ihre eigenen Worte, jeder Traum von einer anderen Person:
„Ich hatte einen Traum letzte Nacht, in dem ich gesagt habe wie sehr mir Batman missfällt, und du hast meinen Arm berührt und gesagt „aber er ist krank“ und während dem Rest des Traumes habe ich über Batman und psychische Erkrankungen nachgedacht.“
„Ich habe von einem roten Faden geträumt, der vertikal durch den Traum verlief, als ob er sich gleich spalten würde.
Geht’s dir gut? Das ist schon der zweite Traum von dir und einem durchtrennenden Faden. Der erste Faden war in einem Walbauch.“
„Du hast ein Stück mit etwa 4-5 Leuten choreographiert. Einer der Tänzer machte so zeitgenössische Tanzbewegungen auf dem Boden (wie ich es immer gerne mache) und verwandelte sich manchmal in eine Schlange. Nicht so eine feine, schlängelnde Schlange, sondern eher so eine:“
„Letzte Nacht habe ich geträumt, dass ich dich in den Armen hielt, aber du warst bewusstlos. Ich schätze mal es war normal, dass man Puppen von den Leuten hat, die man kennt. Und ich habe dich herumgewirbelt und dann nah an mein Gesicht gebracht und gesagt „bist du da?“ und du hast gesagt „nein, aber das hast du schonmal in Amsterdam gemacht“ und ich hab gesagt „geht’s dir gut?“ und du hast gesagt „ja“.
„Ich habe letzte Nacht von dir geträumt. Es war nur eine Überschrift, die lautete: „nackte Performance Künstlerin klaut den Stift der Universitätsleitung und flüchtet aufs Dach.“
„Ich hab gerade geträumt, dass du dir die Haare abrasiert und einige von den Haaren als Schnurrbart implantiert hast. Du hast einen beigen Anzug getragen und hattest in etwa eine drei Meter große Blase um dich rum, die dein ganz persönlicher Schutzraum war. Wir waren auf einer Doppelbeerdigung/Grundstücksverkauf. Wenn du gelächelt hättest, hätte das deinen Schnurrbart beschädigt, also hast du es gelassen.“
„Gestern warst du in meinem Traum. Ich erinnere mich an nicht viel, außer dass es darum ging, in Fluren auf und ab zu laufen und Mäntel anzuprobieren, die wir brauchten, weil es kalt war. Es gab eine Mitfahrgelegenheit, um zu einer Oper zu fahren, die wir nicht verpassen sollten, aber der Flur schien einfach zu lang. Irgendwie warst du auch eine Sicherheitsbeauftragte für Autos.“
„Du hast rot getragen und hast eine super lange Metallstange gehalten, die so hoch war, dass sie aus meinem Sichtfeld herausragte. Ich konnte nicht erkennen, was auf der anderen Seite der Stange war, aber es kam mir so vor, als ob sie Teil so einer Art Struktur war, eine Struktur innerhalb derer wir uns beide befanden, die aber unsichtbar blieb für uns (entweder wirklich unsichtbar oder einfach sehr groß). Also, du standst da und hast die Stange gehalten und dann bin ich aufgewacht.“
„Ich hab gerade geträumt, dass du dir die Haare abrasiert und einige von den Haaren als Schnurrbart implantiert hast. Du hast einen beigen Anzug getragen und hattest in etwa eine drei Meter große Blase um dich rum, die dein ganz persönlicher Schutzraum war. Wir waren auf einer Doppelbeerdigung/Grundstücksverkauf. Wenn du gelächelt hättest, hätte das deinen Schnurrbart beschädigt, also hast du es gelassen.“
„Gestern warst du in meinem Traum. Ich erinnere mich an nicht viel, außer dass es darum ging, in Fluren auf und ab zu laufen und Mäntel anzuprobieren, die wir brauchten, weil es kalt war. Es gab eine Mitfahrgelegenheit, um zu einer Oper zu fahren, die wir nicht verpassen sollten, aber der Flur schien einfach zu lang. Irgendwie warst du auch eine Sicherheitsbeauftragte für Autos.“
„Du hast rot getragen und hast eine super lange Metallstange gehalten, die so hoch war, dass sie aus meinem Sichtfeld herausragte. Ich konnte nicht erkennen, was auf der anderen Seite der Stange war, aber es kam mir so vor, als ob sie Teil so einer Art Struktur war, eine Struktur innerhalb derer wir uns beide befanden, die aber unsichtbar blieb für uns (entweder wirklich unsichtbar oder einfach sehr groß). Also, du standst da und hast die Stange gehalten und dann bin ich aufgewacht.“
VIERTENS
Wie tröstlich bequem, dass Schlaf flüchtig ist, so wie ich in die Träume von Freunden eingebrochen bin, wie auch meine von anderen heimgesucht wurden, all diese Leben, die sich gegenseitig leben, aneinander gebunden, süß. In diesen zehn Jahren, wie viele von mir waren da, da waren, wie viele.
Ich glaube nicht, dass die Achse zwischen Hoffnung und Untergang die einzige ist, da ich gar nicht erst an Koordinatensysteme glaube und ich glaube nicht an Hoffnung. Es gibt keine andere höhere Bestimmung als das Telos des Nichts und die Kriegszone der Sozialbeziehungen, aber beide werfen wunderschönen Müll ab, ein khoratisches Plenum. Es gibt eine Kleine Tasche im Mantel des Universums und ich und meine Sprachen leben da, wie ein Wunder, leben wir da, schlafen, wir sind ein kleiner Klumpen und manchmal steckt uns das Universum ein paar Krümel zu. Abgesehen davon, wie kalt es da ist, kann es auch warm sein.
FÜNFTENS
Minerva, ich hoffe ich muss dir nie wieder begegnen, ich werde dir jetzt zuschauen, wie du ins Schwarz verschwindest. Ich hoffe, dass es ein Schwarz ist, dass in einem Bett schläft, das nicht mir gehört.
Bis bald.
Von Papierfetzen, Fertigtagebüchern Und Bullet Journals. Zur Materialität Des Tagebuchs
14.10.2021 / Janina Meissner
Ob Blogs, Instagram-Stories oder Bullet Journals – diaristische Praktiken sind heute gegenwärtiger denn je. Die Germanistin Janina Meissner widmet sich in ihrem Essay der Geschichte und Materialität des Tagebuchs.
… MehrVon Papierfetzen, Fertigtagebüchern Und Bullet Journals. Zur Materialität Des Tagebuchs
14.10.2021 / Janina Meissner
Ob Blogeinträge, Instagram-Stories oder Bullet Journals – diaristische Praktiken sind heute gegenwärtiger denn je. Das Archiv des Deutschen Tagebucharchivs in Emmendingen, ein Kooperationspartner der Biennale für Freiburg, bietet dabei einen reichhaltigen historischen Fundus, der regelmäßig über soziale Medien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Germanistin Janina Meissner widmet sich in ihrem Essay der Geschichte und Materialität des Tagebuchs und beleuchtet die gegenwärtige Konjunktur des Diaristischen im Digitalen und Analogen.
Wer sich ein Tagebuch vorstellt, denkt zumeist an ein Buch, vorzugsweise mit Schlösschen, in das private Gedanken und Erlebnisse eingetragen werden. Dieses archetypische Bild des geheimen Journals ist jedoch nur eine von zahlreichen Erscheinungsformen einer Gattung, die sich durch eine immense materielle Vielfalt auszeichnet. Von losen Blattsammlungen, Spiralblöcken, vorgedruckten Kalendern, Schreibheften, Leineneinbänden mit Goldschnitt, Papierfetzen und selbst Toilettenpapier verwenden Diarist*innen alles erdenkliche Material, das sich zum Beschreiben eignet. Aber warum wird im deutschen überhaupt von einem Tagebuch gesprochen und welche Rolle spielt das Medium ‚Buch‘ für die Gattung? Welche Textträger werden für das Tagebuchschreiben gebraucht und wie haben sich diese im Laufe der Zeit verändert? Was machen die materiellen Besonderheiten der Gattung aus? Und stirbt das handgeschriebene Tagebuch in Zeiten der Digitalisierung aus? In diesem Beitrag gehe ich den Materialitäten diaristischer Praktiken nach und untersuche, welche Implikationen diese für die Gattung ‚Tagebuch‘, ihre Autor*innen und ihre Leser*innen haben.
Tagebücher?
Das Wort ,Tagebuch‘ geht auf Johannes Kepler zurück, der den Begriff 1613 als wörtliche Übersetzung des spätlateinischen diurnum (commentāriolum) prägt und das „anfangs vor allem in kaufmännischem Sinne ,Buch, worin die laufenden Geschäfte der Zeit nach geordnet eingetragen werden’“, gebraucht wurde. (i) Bei einem Tagebuch handelt es sich also um einen Textträger mit täglichen oder regelmäßigen Aufzeichnungen, wozu beispielsweise auch Logbücher (auch ‚Schiffstagebücher‘ genannt), Kalender oder kaufmännische Notizbücher gezählt werden. Das persönliche Tagebuch, welches das Ich, seine Gedanken und Erfahrungen zum Thema hat, dominiert zwar bis heute die Vorstellung von dem, was unter einem Tagebuch verstanden wird, ist jedoch nur eine Spielart des Diaristischen, die sich mit dem zunehmenden Ich-Bewusstsein in der Moderne herausbildet.
Im Gegensatz etwa zum englischen diary oder französischen journal verweist das Kompositum ‚Tagebuch‘ nicht nur auf die Zeiteinheit ‚Tag‘, sondern auch auf die spezifische materielle Beschaffenheit ‚Buch.‘ Diese begriffliche Besonderheit des Deutschen verdient eine eingehendere Betrachtung, da die Gattung sowohl materiell als auch inhaltlich auf ihr ,Buchsein‘ Bezug nimmt, auch wenn es sich in vielen Fällen gar nicht um Bücher in strengem Sinne handelt. (ii)
Die Abbildung am Eingang dieses Beitrags zeigt einen Schreibkalender aus dem Jahre 1760, das älteste Tagebuch aus dem Bestand des 1998 gegründeten Deutschen Tagebucharchivs in Emmendingen. Dabei handelt es sich um einen Almanach, den der Pfarrer Gottlieb Christoph Bohnenberger zur Buchhaltung und für Notizen nutzte. Dieser „Schreib-Kalender“ verfügt über ein vorgedrucktes Titelblatt, das sich an Elementen des Buchdesigns mitsamt bibliographischen Angaben (Ort, Titel, Jahr, Verlag, etc.) orientiert.
Solche Imitationen des Buchdesigns auf graphischer Ebene lassen sich jedoch nicht nur in gedruckten Diarien beobachten, sondern auch in Handschriftlichen, (iii) wie das folgende Beispiel zeigt. Hierbei handelt es sich um ein Tagebuch, das der Wehrmachtssoldat Kurt B. in amerikanischer Kriegsgefangenschaft verfasste und seiner Frau widmete. Die Wörter „Und“, „Du, „Erinnerung“, „Weisst“ und „Spiel“ imitieren Druckschriftbuchstaben und dienen sowohl als Überschriften als auch der Hervorhebung eines Wortes. Die Buntstiftzeichnungen, die in einer engen Wechselbeziehung zum Text stehen, erinnern aufgrund ihres illustrativen Charakters an Bilderbücher für Kinder.
Bevor Hefte und Notizbücher um 1900 zur Massenware wurden, (iv) war es überdies üblich, dass Diarist*innen ihre Aufzeichnung erst nachträglich als Buch binden ließen, wie etwa die berühmten Tagebücher des englischen Staatssekretärs Samuel Pepys, die er zwischen 1666 und 1669 führte. (v) Einige Diarist*innen nähten ihre Tagebücher sogar selbst, wie Peter Hebbel am 19. August 1843 in seinem Tagebuch selbstreflexiv notiert:
Ich werde meinen Gewohnheiten ungetreu. Ein gebundenes Tagebuch! Vierundzwanzig Bogen auf einmal! Ein starker Wechsel, auf die Zukunft bezogen! Sonst beschrieb ich Blatt nach Blatt und heftete nachher alles mühsam mit der Nadel zusammen. (vi)
Das Tagebuch als Kulturtechnik im 19./20. Jahrhundert
Hebbels Wechsel vom einzelnen Bogen zum gebundenen Buch markiert einen kulturhistorischen Umbruch. Mit der fortschreitenden Industrialisierung, der damit einhergehenden Herausbildung einer bürgerlichen Sphäre sowie der Alphabetisierung im 19. Jahrhundert florierte auch die Schreibwarenindustrie. So wurden mit der Jahrhundertwende „zahlreiche Papiererzeugnisse für private Zwecke erhältlich.“ (vii) Das regelmäßige Schreiben wurde „zu einer Kulturtechnik, derer sich so viele Menschen bedienen konnten und auch bedienten wie niemals zuvor in der Geschichte.“ (viii) Die im 19. Jahrhundert vor allem im Bürgertum praktizierte Selbsttechnik des Tagebuchschreibens wurde mit der Jahrhundertwende auch in anderen gesellschaftlichen Schichten immer beliebter. Dies brachte wiederum eine „Pluralisierung der Formen und Verfasser“ (ix) mit sich.
Auch Arbeiter*innen wurden ermuntert, „zur Persönlichkeitsbildung ein Tagebuch [zu] führen.“ (x) Dies betraf vor allem Jugendliche, die während ihrer Ausbildung geregelt Tagebuchschreiben sollten, aber auch Erwachsene, die mittels Vordrucke und vorgefertigter Kalender, die es auch häufig als „kommerzielle oder politische Werbegeschenke“ (xi) gab, zum Tagebuchschreiben angeregt wurden. So stellt Li Gerhalter fest, dass sich im 20. Jahrhundert die Praxis durchsetzte,
Tagebuchnotizen in (Termin-)Kalender einzutragen, wobei insbesondere diese Aufzeichnungen oft sehr umfangreich sind. […] Es scheint, dass die vorgedruckte strikte Rahmung – neben ihren Reglementierungen – dazu animieren konnte, feste Aufzeichnungsgewohnheiten zu etablieren. (xii)
Interessant ist bei solchen Vordrucken und vorgefertigten Medien, dass hier die „Intervall- beziehungsweise Lückenhaftigkeit als weiteres Merkmal der Praxis des diaristischen Schreibens hingegen sichtbar zu Tage“ (xiii) trete, etwa dann, wenn der vorgesehene Platz für einen Tag leer bleibt; ganz anders etwa das Blanco-Tagebuch, in dem sich einzelne Einträge lückenlos aneinanderreihen und das so zumindest auf den ersten Blick einen Anschein von ungebrochener Regelmäßigkeit und Vollständigkeit vermittelt.
Materialität des Geheimen
Das wohl ikonischste Beispiel solcher vorgefertigten Medien, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts Verbreitung fanden, ist das Fertigtagebuch mit Prägung und Schlösschen, das sich als kanonisiertes Geschenk für junge Mädchen etablierte (Abb. 3.). (xiv) Trotz seines relativ späten Erscheinens ist das verschlossene Fertigtagebuch zum diaristischen Archetypen geworden; es erscheint gleichsam als das Tagebuch schlechthin. Das älteste gebundene Exemplar mit Prägung und Schlösschen aus dem deutschsprachigen Raum, das in der Tagebuchforschung bekannt ist, stammt aus 1905, zwei weitere Bücher mit Schlösschen, aber ohne Prägung stammen aus 1885, wovon eines einem erwachsenen Mann gehörte. (xv)
In dem Schlösschen materialisiert sich die Vorstellung, dass das Tagebuch einen privaten Raum darstellt, in dem geheime Gedanken aufbewahrt werden, eine „Minimalvariante von ,A Room of One’s Own‘“ (xvi), wie Li Gerhalter formuliert. Für die weiblichen, vornehmlich bürgerlichen Tagebuchschreiberinnen, die die Zielgruppe solcher vorgefertigten Tagebücher darstellten, brachte dieser private Raum jedoch nicht nur neue Freiheiten mit sich. Auf „die häusliche Sphäre beschränkt“ wurden die Schreiberinnen „dazu angeleitet, sogar ihre Gedanken in den Zwischenraum zweier Buchdeckel zurückzuziehen – wo diese von den Erziehungsberechtigten dann auch leicht kontrolliert werden konnten.“ (xvii)
Neben der eindeutigen Symbolik und tatsächlichen Funktion des Schlösschens gibt es eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, unliebsame Leser*innen abzuwehren. So etwa „Bannsprüche“, die den Tagebuchaufzeichnungen vorangestellt werden und die sich vor allem seit Mitte des 20. Jahrhunderts etablierten. (xviii) Solche Sprüche können sich direkt und unverblümt präsentieren, wie: „Wer das liest, ist wirklich gemein und soll auf ewig ein schlechtes Gewissen haben!“ (xix) oder „Tagebuch bitte nicht lesen! Bei Deiner Würde“ (xx), wie sie sich häufig in Tagebüchern von Jugendlichen finden lassen. Aber auch kryptischere, sowohl mit Widersprüchen als auch mit potentiellen Leser*innen spielende Bannsprüche markieren den Eintritt in den privaten Tagebuchraum, wie der Folgende des Nirvana-Frontsängers und Gitarristen Kurt Cobain: „Don’t read my diary when I’m gone. OK, I’m going to work now. When you wake up this morning, please read my diary. Look through my things and figure me out.” (xxi)
Eine weitere Technik, in denen sich der Wille zur Geheimhaltung manifestiert, ist das Verschlüsseln von Informationen. Namensänderungen, Abkürzungen, der Gebrauch von Stenographie oder einer Geheimsprache sollen eine mögliche Leseschaft abhalten oder begrenzen. Einer der bekanntesten Beispiele in der Geschichte des europäischen Tagebuchs ist der bereits erwähnte Samuel Pepys. Dieser schrieb seine Diarien mit der von dem englischen Stenographen Thomas Shelton entwickelten Tachygraphie, einer im 17. und 18. Jahrhundert in Großbritannien gebrauchten Kurzschrift, und verschlüsselte zusätzlich Schilderungen seiner zahlreichen Affären in einer eigenen Geheimsprache aus Englisch, Französisch, Spanisch und Latein.
Tagebücher als „materialisierte Zeit“
Die eigensinnigen Formen, die Tagebücher annehmen können, werfen auch die Frage auf, inwiefern Tagebuchtexte überhaupt ohne ihren ursprünglichen Textträger rezipiert werden können. Der Germanist Klaus Hurlebusch spricht von einer „sinnhafte[n] Einheit von Text und Textmedium“ (xxii) diaristischer (und brieflicher) Zeugnisse. Ihre Materialität ist ebenso bedeutsam wie ihr Inhalt, weshalb Text und Medium nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können, wie dies jedoch häufig in Tagebucheditionen der Fall ist. Nicht nur das Schriftbild und damit auch Spuren des Zögerns und Stockens in der Handschrift gehen im Editionsprozess verloren, auch Zeichnungen und Einlagen wie Eintrittskarten, Zeitungsausschnitte, gepresste Blumen oder Haarbüschel sind in edierten Tagebuchausgaben nur unter Verlust ihrer spezifischen Materialität reproduzierbar.
Tagebücher sind, so Arno Dusini, „materialisierte Zeit“ (xxiii) , nicht nur, weil Leser*innen mit ihnen „Zeit in Händen“ halten und durch „Jahre, Monate, Tage“ blättern können (xxiv), sondern auch, weil sich in ihrer Materialität Spuren ihrer Entstehung einschreiben, die eine Transkription nicht einfangen kann. Eine Edition, so Dusini, „reguliert die Möglichkeiten dessen, was wir aus einem anderen Leben verstehen können.“ (xxv)
Eine Möglichkeit, diese „normierte […] Gleichförmigkeit“ (xxvi) in der Edition zu vermeiden, sind Faksimile-Ausgaben, die, so Thorsten Ries, ein größeres Bedeutungspotential enthalten, als es ins lateinische Alphabet übertragene Transkriptionen vermögen. (xxvii) Auch wenn Faksimile-Ausgaben der materiellen Vielfalt von Tagebüchern gerechter werden als linearisierte Transkriptionen, sind sie für Leser*innen häufig nicht zugänglich. Während Kurt Cobains Tagebücher ein deutliches und lesbares Schriftbild aufweisen und auch als Faksimile für eine breite Leseschaft rezipierbar sind, können die originalen Tagebücher Samuel Pepys‘ nur von einem außerordentlich spezialisierten Fachpublikum gelesen werden, das in der Lage ist, seine Kurzschrift zu entziffern.
Wie sehr Medium und Inhalt in Tagebüchern zusammenfallen und wie abhängig diese wiederum von dem je individuellen Schreibkontext der Diarist*innen sind, tritt in historischen Krisensituationen am deutlichsten zutage. Der Mangel an Schreibmaterial veranlasste die Wienerin Emilie Wehle im KZ Theresienstadt, ihre diaristischen Aufzeichnungen auf Papierfetzen zu schreiben. (xxviii) Und der Norweger Petter Moen stach sein ,Gefängnistagebuch‘ (Februar-September 1944) in Gestapohaft mit einem Nagel in Toilettenpapier, rollte dieses zusammen und warf es in einen Luftschacht. Solche Beispiele zeigen „eindrücklich die völlige Auflösung zivilgesellschaftlicher Ordnungen auch auf den materiellen Ebenen von Selbstzeugnissen.“ (xxix) Nicht nur der geschilderte Inhalt, sondern auch das verwendete Material bezeugt die spezifischen Entstehungsumstände und macht Tagebücher auch auf materieller Ebene zu einem Zeitzeugnis.
Doch welchen Unterschied macht es eigentlich, ob ein Text nun mit Feder oder Bleistift, in ein Heft oder Word-Dokument geschrieben wird? Schreibprozesse unterliegen nicht nur kognitiven, kommunikativen, diskursiven und medialen Faktoren, sondern werden auch maßgeblich von materiellen Voraussetzungen geprägt, wie die jüngere Schreibprozessforschung überzeugend gezeigt hat. Autor*innen haben solche Abhängigkeiten von ihrem Schreibmaterial schon weitaus früher reflektiert. Am prägnantesten formulierte Nietzsche dieses Zusammenspiel von Schreibmaterial und Denken: „UNSER SCHREIBZEUG ARBEITET MIT AN UNSEREN GEDANKEN,“ schrieb der zunehmend erblindende Philosoph mit seiner Schreibkugel, einer Vorläuferin der Schreibmaschine.
Im Falle von Emilie Wehle und Petter Moen spricht es für sich, dass das begrenzte Schreibmaterial und die Prekarität der Schreibsituation keine ausschweifenden Reflexionen zulassen und die Schreibenden dazu zwingen, sich kurz zu fassen. Auch das Schreiben mit Feder und Tintenfass gestaltet sich durchaus mühsamer als das Schreiben mit dem Bleistift oder dem Kugelschreiber. Während Diarist*innen, die handschriftlich zu Werk gehen, einen begrenzten Raum zur Verfügung haben und – vor allem, wenn sie diesen auch graphisch gestalten wollen – diese Begrenzung miteinplanen müssen, erscheint ein digitales Dokument beinahe wie ein infiniter weißer Raum. Im Gegensatz zu handschriftlichen Tagebüchern, in denen Passagen nachträglich geschwärzt, durchgestrichen, überklebt oder herausgerissen werden und solche Korrekturprozesse zum konstitutiven Bestandteil ihrer Materialität werden, kann in digitalen Dokumenten nach Belieben gelöscht und verschoben werden, ohne deutlich sichtbare Spuren zu hinterlassen.
Das Tagebuch im 21. Jahrhundert – analog und digital
Ob Blogs, Tagebuch-Apps oder Instagram-Stories – diaristische Praktiken sind in Zeiten der Digitalisierung gegenwärtiger denn je. Aber auch das analoge Tagebuch hat bis heute nicht an Beliebtheit eingebüßt. Das Deutsche Tagebucharchiv promotet das Tagebuch als ein einzigartiges Objekt mit einer „eigene[n] Aura“ (xxx) und verfügt seit 2014 sogar über ein kleines Museum, in dem besondere Stücke der Sammlung ausgestellt werden. Die Kuratorin Johanna Hilbrandt berichtet, welche Kriterien für den Auswahlprozess aus über 22.000 Dokumenten entscheidend waren:
Die Materialität, d.h. die äußere Gestalt, die optische Präsenz der jeweiligen Tagebücher und die mit außersprachlichen Mitteln gestalteten Seiten in den von uns so genannten Künstler[*innen]tagebüchern sollten ebenso berücksichtigt werden wie die ästhetischen Schriftbilder mancher Aufzeichnungen.
Fasziniert von den „Wortgebilde[n], die das weiße Blatt besiedeln, mal dicht gedrängt mal groß und weit hingeworfen“, wollten Hilbrandt und ihre Mitarbeiter*innen „die Visualität des Textlichen zum Ausdruck bringen.“ Seit 2020 postet das Deutsche Tagebucharchiv auch regelmäßig Bilder von Tagebüchern auf Instagram und überführt diese so auch in die digitale Sphäre. Damit schließt das Tagebucharchiv an einen Trend an, der sich in den letzten Jahren vermehrt beobachten lässt, nämlich die fotografische Inszenierung von analogen Diarien, die über soziale Medien geteilt werden.
Auslöser für diesen Trend ist die von dem Designer Ryder Carroll ausgearbeitete und 2013 lancierte Methode des „Bullet Journals“. Dies ist ein vornehmlich auf Selbstoptimierung ausgerichtetes Aufschreibesystem, das zu einem achtsameren und absichtsvolleren Leben und zugleich zu mehr Produktivität verhelfen soll. Typische Elemente eines Bullet Journals sind, wie der Name bereits sagt, „Bullets“, kurze Sätze, die anhand eines spezifischen Symbolsystems (Punkte, Kreise, Striche, Sternchen etc.) organisiert werden und welches wiederum mit einem dem Journal vorangestellten Schlüssel erklärt wird. In vielen Bullet Journals wird auch ein Index mit Seitenzahlen vorangestellt, sodass verschiedene Kapitel (hier zeigt sich wieder der Bezug zum Medium Buch) leichter gefunden werden können. Ebenfalls typisierend sind Gewohnheits- und Stimmungstracker und Listen jeglicher Art, von To-Do-Listen bis hin zu Lese- und Filmlisten.
Bemerkenswert ist im Falle des Bullet Journals vor allem das Interesse an und der bewusste Umgang mit Materialitäten. In Blogs, auf Instagram und Pinterest teilen passionierte Bullet Journalists Fotos ihrer Journale und tauschen Gestaltungstipps aus. Diese reichen von spezifischen Schriftarten bis hin zu Anleitungen, wie man eine nicht so schöne Handschrift verbessern oder fehlendes Zeichentalent mit Hilfe von Collagen ausgleichen kann. (xxxi) Überdies diskutieren Bullet Journalists in Online-Communities, welche Stifte sich am besten eignen, welches Papier sich gut ‚anfühlt‘ und nicht durchscheinend ist und ob sich etwa Punktraster oder Blanco-Seiten besser für die eigenen Kreationen eignen.
Beim Bullet Journal kommen viele bekannte Techniken des Diaristischen zurück: Collagen, kalligraphische Überschriften, Zeichnungen, Sticker, persönliche Reflexionen und vor allem auch Optimierungstools wie die private und professionelle Buchführung und das Anfertigen von Listen, die seit jeher zum Repertoire des Diaristischen gehören. Und auch das Fertigbulletjournal als Konsumgegenstand, mit aufgeprägtem Titel und teilweise vorgedruckten Seiten konnte sich in den letzten Jahren im Schreibwarenhandel etablieren.
Zwar machen Diarist*innen zunehmend Gebrauch von digitalen Kanälen, das analoge Tagebuchführen hat jedoch noch lange nicht ausgedient. Damit ist auch Johanna Hilbrandts Feststellung, dass die „Epoche der Handschrift zu Ende“ gehe und das Deutsche Tagebucharchiv deshalb einen „Verlust‘“ ausstelle, zu relativieren. Stattdessen zeigt sich, dass digitale Formen nicht nur anstelle von oder parallel zum analogen Tagebuchschreiben verwendet werden, sondern dass diese in einem produktiven Wechselverhältnis zueinanderstehen, etwa dann, wenn Gestaltungs- und Materialtipps in sozialen Medien ausgetauscht werden und ausgewählte Journal-Seiten fotografisch inszeniert und mit anderen geteilt werden.
Janina Meissner ist seit 2019 Doktorandin an der Universität zu Köln und der Universität Amsterdam (UvA) im Fachbereich Germanistik.
MAY 68 in 78 – in 2021. A conversation with Michel Auder
13.10.2021 / BfF #1
A conversation with Michel Auder about his video work MAY 68 IN 78 (1978/2019) by Fanny Hauser and Leon Hösl.
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13.10.2021 / BfF #1
In 1968, photographer and filmmaker Michel Auder documented the revolts in Paris, but lost the footage shortly after when he moved to the United States. Exactly ten years after the events, Auder restored these cinematic memories with MAY '68 IN '78 by entering into dialogue with Parisian artists, workers, a policeman, and a saleswoman, interviewing them about their personal memories of May 1968. Originally planned as a film screening in Jean Tinguely’s sculpture LE CYCLOP in Milly-la-Foret, MAY '68 IN '78, 2019/2021 was shown for the first time at Beeler Gallery in Colombus, Ohio, in a sculptural setting by Michael Stickrod. A frequent collaborator of Michel Auder, Stickrod had screened, digitized, and edited the video footage for this exhibition. For the exhibition of BfF#1, one element of Michael Stickrod’s installation was reconstructed: bleachers that refer to the theatricality of many of the events in May 1968, while at the same time occupying the gallery space like a barricade. On and next to this bleacher, four Freiburg-based artists showed new works that emerged from their engagement with MAY '68 IN '78 and were developed in exchange with Michael Stickrod and Michel Auder.
During the preparation for the project, Fanny Hauser, member of the Curatorial Board of BfF#1 and Leon Hösl, Artistic Director of BfF#1, spoke with Michel Auder about how this video work came together, why it was not presented as originally planned in 1978 and his own memories on May 1968.
Fanny Hauser: Your video work “May 68 in 78” is presented for the first time in Europe this year, in the context of the Biennale für Freiburg. The work consists of several interviews you conducted with friends and people in the streets of Paris in which they share their memories of May 68. How did this work come together?
Michel Auder: It’s a longer story that is initially linked to the artist Jean Tinguely. He was a friend of my friend Larry Rivers with whom I collaborated on different occasions. When I came back to Paris from Los Angeles, Larry offered me a space in his studio to get back on my feet. Tinguely asked Larry to produce something for Milly-la-Forêt where Tinguely built his monumental sculpture Le Cyclop. Tinguely invited some artist friends to contribute works, that visitors could encounter inside of Le Cyclop. (We) I suggested a video, and eventually decided to produce “May 68 in 78”. It was the first time I was back in Paris and saw my friends since May 68. “May 68 in 78” is basically a portrait of the Parisians and their memories and experiences of May 68. It’s a long time ago now, but back then the events were still fresh enough to trigger people’s memories.
FH: The film was never presented in Milly-la-Forêt though. What happened?
MA: We produced the film. I interviewed the people and Larry filmed me. When we came to an end, I spoke to Tinguely who thought it might be too complicated to bring all the video equipment to the woods after all. At that time the equipment was still very mechanical and unwieldy, so we decided to drop it. Since the film was in French, I stored it because I’ve been living in America all the time. I couldn't find the energy to spend more time on the work and make something out of it. It’s a lot of work to translate everything into English. My friend and former student Michael Stickrod is very important to the project. He edited the film and made a sculpture for the installation in which we presented the work. Michael has been working with me all along. He likes to put his nose into my archives. When he found the work, he organized the exhibition in Ohio where we showed the work for the first time. He put a lot of energy into it and (organized) raised money to pay students to translate the scenes into English.
FH: In the work, the events of May 68 are reconstructed via the memories of people who were in Paris back then. Let’s speak about your memories. How did you experience May 68?
MA: I was forced to go to the army in 1963. They say the army will make a man out of you. In a way it did because I didn’t really have any strong political opinion until then. I was a 19-year-old fashion photographer with a studio in Paris. I made good money and things were going well for me. When I was forced to go to the army, I lost everything. They ruined my life. The army gave you coffee and cigarette money $100 of now per month which is close to nothing. We were not properly paid. I became a hardcore leftist with an anti-government stance. During May 68 I got involved with some groups, but I could sense that they were exploiting me too, which is why I started rebelling against these political groups at some point too. May 68 was an extraordinary time. We were outside all night, on the barricades and in the streets. It was fantastic. At night the cops were chasing us. They were driving undercover, in normal cars, and tried to run us over. I didn’t go to the barricades to get into a fight with the police though. It’s a lost battle. In a way, we were my friend and me all dilettantes. We were for the revolution, but without any real physical interaction with the police. We made films instead. We took over the Cinémathèque française. Henri L'anglois, who founded the Cinémathèque was my friend. He opened his arms for us right away.
Leon Hösl: Did you film the events of May 68?
MA: I did but I lost all my footage. When I moved to the US, I left my films somewhere, but I couldn’t remember where. I didn’t have a place. I’ve been travelling around without any backup since I was 17. (I still got no backup). I used to make films in 16 mm, but I lost all the films I made between 1962 and the 70s. This was also the time when I switched to video in the US.
LH: Many of your works are recorded either in the streets or looking at the streets from a window. Do you think your experience of this extra-ordinary time in Paris, seeing the city change, shaped your work? Did you use the streets for filmmaking rather than the revolution?
MA: My work was and is always about looking at people. Observing my surroundings and making something out of it is the very base of my work. By editing the material, I turn it into something else. Did May 68 influence me in terms of filming? Not necessarily because I was already filming people before. I remember filming from the window of my place in rue de Rennes, which is in Saint-Germain-des-Prés where a lot of action took place. The police saw me and tried to get into my building. Luckily, there was a barricade nearby, so they lost interest in me relatively soon. But for a while, a group of policemen was banging at the door downstairs trying to enter my building. At some point I also went to the Odeon theatre with some people, where they keep Molière costumes and stuff like that. The people who came out of the building were all dressed up. They had broken into the vitrines to get to the costumes. They were wearing hats and coats, while throwing Molotov cocktails from the roof at the police that was standing outside of the theatre. At that time, it was like touch and go—both the cops and the people were all over the place. I filmed all kinds of amazing things, burst by burst...
FH: Thinking of “May 68 in 78” and the present day, the events of May 68 are still romanticized oftentimes. How did this mediation of May 68 develop in the past decades?
MA: I think it’s good to protest. Personally, I don’t feel like getting involved physically. I never did but I got my ass kicked by the police anyway. This was usually for other reasons though: perhaps because I talked back to them or because I was at the wrong place at the wrong time. Even in New York when I bought Heroin, I was beaten up by the police. I got slapped around or punched but I didn't fight back, because I didn't want to get into it. I’m not a physical fighter. Things are also much easier for me as a white man. If you’re black—forget it! That's why black people are fighting back and protesting. They just can’t take it anymore. As a white person, the police might beat you once, and then they arrest you or let you go. That’s my knowledge and experience with the police as a white man. I have a strong survival instinct. The only thing I had to survive was life in general. As soon as May 68 ended, it was also the end of me being in France. I had to leave because the French were so closed in. If you don't have the right education, or the right background, it is very hard to build up new connections. It might work for some, but for me it was just impossible to get into the circles I was interested in. In the US, they give you a chance. I entered the art world, and everything somehow came into place.
LH: The interview aspect in this work very much reminds me of street interviews that are very common in today’s TV. Was this a common format back then?
MA: Not yet, but it soon became a kind of television trick. Not because of my film, of course, but things are always in a process of osmosis. People think about something at the same time, and then some of them pick it up and make it happen for real. Going out and interviewing people in the streets became more prevalent in the 80s for public television. You get an incredible array of stories and material. I also made a piece called “Jesus” in which I am interviewing people on the streets during the gay parade in New York and ask them to share their thoughts on Jesus. I used the same formula as with “May 68 in 78”. The film was only shown once, in SoHo, in 1981 or 82. I basically did it without any editing equipment or funds. It’s quite funky but it looks better and better as it goes along.
LH: How about technical equipment?
MA: When video came into fashion in 1969 it was groundbreaking. Everything looked so modern. Later, in 1975, the microphone company Sennheiser released a wireless microphone. Until then, portable microphones were only used by big television companies, but once the smaller and less expensive version was one the market, Larry bought one, and I used it to produce many works, including “Jesus”.
LH: Did the people you interviewed for “May 68 in 78” ever see the work? Are you still in touch with some of them?
MA: The work was put in boxes and went up on a shelf like many of my works. Nobody really saw it back then and I’m also not in touch with anyone anymore. Some of them are still alive, but a lot of my friends have passed away in the meantime. Basically, it’s a bunch of dead people talking.
FH: The first person who appears in the film is a young woman that you ask about an image from May 68 that remained with her. She speaks about protesters that were in the streets holding pitch forks, like peasants. It resonates with the scene you described at the Odeon theatre and people wearing costumes. May 68 as a big street theatre…
MA: It was all very theatrical indeed. We all hung out together: artists and rock and rollers, the misfits and the “blousons doré”—that’s how we called the kids that came from rich families. The “blousons noirs” were the ones who wore leather jackets, less privileged kids from the working class. All kinds of people came together: workers and students, actors, artists, or druggies from the neighborhood.
LH: I am interested in the role of the artist in the context of May 68. One man in the film speaks about how artists opened their studios and the workshops of the academy to teach people how to produce flyers with the silk screen printer. And the weeks of the revolution have created very stron images. How would you say has May 68 influenced your own work? Or did it at all?
MA: The thing with May 68 is that it has been May 68 for me all the time—even today. That’s my life and this formula has been my religion. I think I did the best I could do; I made films, I lost them, and so I made another one in 1978 and this is what remains. Look at me. I live the life of a millionaire without a million. I am May 68. Forget Michel Auder. It’s been quite a ride…
Spazieren mit Schildkröte
29.09.2021 / Theresa Rössler
PARCOURSWALK 4
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29.09.2021 / Theresa Rössler
Mit den PARCOURSWALKS geben Freiburger Kunst- und Kulturarbeiter*innen sowie eine Gruppe Jugendliche einen persönlichen Blick auf die Stadt, indem sie dazu einladen, sich auf Um- und Abwege durch den Ausstellungsparcours der BfF #1 zu begeben und dabei den Spaziergang entlang der Ausstellungsorte mit eigenen Empfehlungen und Blickwinkeln verbinden. Lesen Sie hier den Text von Theresa Rössler.
Mit dem Bild „mit einer Schildkröte an der Leine spazieren zu gehen“, schaffte Benjamin eine Geh-Metapher, die wir uns zu Beginn dieses Parcourswalks in Erinnerung rufen möchten: „Das gibt einen Begriff vom Tempo des Flanierens in den Passagen.“ Nun ist Freiburg nicht Paris, im Gegenteil, und ziellos, wie es dem Flanieren eigen ist, sind wir auch nicht unterwegs. Dennoch scheint das Ausstellungsformat Biennale, was sich in Freiburg über insgesamt acht unterschiedliche Standorte erstreckt, prädestiniert dafür, sich dieser anachronistischen Sehnsucht nach dem Flanieren gerade im Zuge einer Ortsbegehung und -erkundung hinzugeben, indem einfach mal innegehalten, stehen geblieben oder sich auf die Bordsteinkante gesetzt wird, um mit den Augen nicht nur die ausgestellte Kunst, sondern auch das uns Umgebende abzutasten. (Ein bisschen so wie Tarkowskis elendig lange Kameraeinstellungen.)
Wir beginnen in der Galerie des Kommunalen Kinos, wo der Film May ’68 in ’78 (1978/2019) des französischen Künstlers Michel Auder (editiert von Michael Steckrod) gezeigt wird – ein Zusammenschnitt aus von ihm mit Passant?*innen und Freund*innen geführten Interviews aus dem Jahr 1978 zum Pariser Mai 68. Neben einer Tribüne von Steckrod zeigen vier junge in Freiburg lebende Künstler*innen Arbeiten: Julius Martin-Humpert, Maristella Witt, Ilja Zaharov und Franziska Rist. Dem Erinnern als ein performativer Prozess per se – d.h. als einer, der seine Geschichte, seinen Gegenstand, seine Personen eigens konstituiert, inszeniert und immer wieder Modifikationen unterzieht – geht Auders Film insofern nach, als individuelle Erinnerungen und Lebensrealitäten mit einer kollektiven nationalen Gedächtnis- und Erinnerungskultur korrelieren und/oder zumeist kollidieren. Aleida Assmann schrieb davon, dass ein Staat, eine Nation oder auch die Institution Kirche selbst kein Gedächtnis besitzen, sich dieses aber schließlich „machen“. Es ist also kein Zufall, dass Auder Personen zum Mai 68 befragt, die gerade aus dem Pariser Rathaus kommen, wo im November 1978 eine Charles de Gaulle-Ausstellung gezeigt wurde.
Benjamin kommt noch einmal ins Gespräch, wenn wir im Anschluss den Kunstverein Freiburg besuchen und uns Patrizia Bachs Arbeit Istanbul Stadtplan (2015) nähern, die ihre Stadtbegehungen und Recherchen seit 2015 mit unbeschreiblicher Akribie dokumentiert. Der Versuch, Benjamins Geschichtsbegriff auf eine Zeile herunterzubrechen, sei hier zum Scheitern verurteilt. Dass es ihm um einen Bruch mit einer universalistischen Geschichtsphilosophie ging und eben darum, sich von einer historischen, nationalen Chiffrierung fernzuhalten, die „Ereignisse“ und „Fakten“ lediglich chronologisch aneinanderreiht, scheint für die Auseinandersetzung mit Bachs Arbeit unerlässlich: Stattdessen geht es um eine Pluralität an Perspektiven und den Fokus auf individuelles Erleben und Erinnern. Seit 2006 arbeitet Bach an dem TOMIKO Archiv, das private Geschichte dokumentiert und ab 12.09.2021 online zugänglich ist: www.patriziabach.de/projekte/tomiko/www-tomiko-archiv
Auch Philipp Guflers Quilt Serie (2018/19) auf der Galerie des Kunstvereins beschäftigt sich mit der Darstellung von Vergangenheit und der ihr inhärenten Exklusionsmechanismen. Einer binären Gesellschaftsordnung stellt er eine queere Geschichtsschreibung entgegen und führt anhand einzelner Narrative vor Augen, wie Heteronormativität u.a. in Identitäts- und Körperpolitik, in Geschlechterverhältnisse und daraus resultierende Machtverhältnisse eingeschrieben ist. Das Leben der Lana Kaiser, wie es Gufler im gleichnamigen Film (2020) vorstellt, sorgt für heftige Gänsehaut. Mehr als das kann ich nicht schreiben, jedoch ergänzen: Im beiliegenden Zine, das ihr in der Besuchszentrale erwerben könnt, wird Josè Esteban Muoz zitiert, „queerness as something not yet here“.
Weiter zur Stadtbibliothek und zu Belinda Kazeem-Kamińskis Arbeit Library of Request #6, die sich jeweils auch mit der Frage beschäftigt, wie (Institutions-)Geschichte geschrieben, Wissen manifestiert wird und welche Machtverhältnisse, die wiederum Marginalisierung und Diskriminierung zur Folge haben, diesen Prozessen zu Grunde liegen. „Räume des Wissens“, wie Bibliotheken und Archive oftmals betitelt werden, verkörpern mit ihren zeitspezifischen, vermeintlich „objektiven“ Auswahl-, Ordnungs-, Systematisierungs- und Repräsentationsprinzipien ja ohnehin schon ein bestimmtes Ideal oder Konzept von „Wissen“ und dessen Rezeption. Konkret geht es in Kazeem-Kaminskis Filmarbeit Unearthing. In Conversation (2017) um generationsübergreifende, koloniale Traumata der Kongoles*innen und um Leerstellen und Lücken im Archivmaterial, eben jene, die uns die Geschichte der Unterdrückten nicht sehen und nicht lesen lassen. „Die Desaster, die dieses Ende eines Milleniums markieren, sind auch Archive des Übels/ Archive des Bösen (archives du mal): verheimlichte oder zerstörte, verbotene, abgelenkte, ‚verdrängte‘,“ schreibt Derrida. Spannend bleibt für mich v.a., wen Kazeem-Kamiński anspricht. Die Zuschauer*innenränge im Theater bleiben leer.
Beim Rausgehen bitte nicht vergessen, die Schildkröte loszubinden. Vegane Grillknacker mit scharfer Soße gibt es am Taifun-Stand auf dem Markt. Auf dem Bordstein sitzend nochmals innehalten und geruhsam abtasten.
Eine Stadt voller Geschichte(n)
28.09.2021 / Seribana, Sadija Asani, Mariam & Anano Papinashvili
PARCOURSWALK 3
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28.09.2021 / Seribana, Sadija Asani, Mariam & Anano Papinashvili
Mit den PARCOURSWALKS geben Freiburger Kunst- und Kulturarbeiter*innen sowie eine Gruppe Jugendliche einen persönlichen Blick auf die Stadt, indem sie dazu einladen, sich auf Um- und Abwege durch den Ausstellungsparcours der BfF #1 zu begeben und dabei den Spaziergang entlang der Ausstellungsorte mit eigenen Empfehlungen und Blickwinkeln verbinden. Lesen Sie hier den Chat-Verlauf zwischen Seribana Asani, Sadija Asani, Mariam Papinashvili und Anano Papinashvili.
Samstag, 18.09
- Hey, wie war die Ausstellung, von der Du mir erzählt hast?
- Es war richtig spannend! Wir sind gestern am Besuchszentrum der BfF#1 gestartet und haben uns ein Kunstwerk von einem Künstler?*innenduo aus Wien angeschaut.
- Cool, erzähl mal!
- Da war ein komplett schwarzer Raum und unsere Augen waren nur auf die Videos gerichtet – bunte Farben, Wassergeräusche, Natur, der Schwarzwald. Menschen, die sich langsam fortbewegen und viele Hände. Es gab zwei Stimmen, sehr beruhigend, eine Frau und ein Mann, die abwechselnd und teilweise gleichzeitig gesprochen haben. Dann haben wir uns erstmal Bubble Tea zur Stärkung geholt und eine Pause auf der Blauen Brücke gemacht.
- Habt Ihr euch da auch die Skulptur angeschaut?
- Was meinst Du?
- Da gibt es so einen Mantel aus Bronze – wenn man die Treppen vom Konzerthaus hochgeht. Er soll an die Deportation von Freiburger Juden und Jüdinnen in das Konzentrationslager Gurs in Südfrankreich erinnern.
- Das wusste ich gar nicht!
- Ich habe das auch nur über die Schule erfahren und das Denkmal davor immer übersehen.
- Das ist wie mit den Stolpersteinen, die sind mir zuerst auch nicht aufgefallen. Aber wenn man mal von ihnen weiß und darauf achtet, sieht man sie an vielen Stellen in ganz Freiburg.
Sonntag, 19.09
- Hey, ich habe mir die Ausstellung heute endlich auch angeschaut! Ich war an der Kaiserwache, ein ehemaliges Toilettenhäuschen beim Café Extrablatt.
- Es gibt echt viel zu wenige öffentliche Toiletten in Freiburg! Und übrigens auch viel zu wenig Trinkwasserbrunnen – in Georgien gibt es davon richtig viele! Aber zurück zur Ausstellung – wie fandest Du das Video mit den vielen Bildern?
- Ich fand es spannend, dass der Künstler das zulässt…so ganz private Bilder und sein Leben mit anderen Menschen zu teilen.
- Aber wir zeigen ja unser Privatleben auch auf Social Media…
- Stimmt schon, aber nur ausgewählte Bilder und die müssen dann perfekt sein.
- Warst Du eigentlich noch im Kunstverein? Da sind richtig viele Kunstwerke ausgestellt!
- Ja da war ich auch noch. Dort hat mich am meisten das Video mit der Statue fasziniert.
- Ich fand das erstmal etwas komisch… Der Künstler steht vor einer Statue und redet mit ihr, als sei es eine echte Person.
- Aber die Geschichte hinter der Statue und seine Fragen ergeben voll Sinn! Ohne die Fragen und seine Performance würde man die Statue gar nicht beachten und nicht weiter darüber nachdenken.
- Stimmt! Wir haben danach noch richtig viel darüber geredet, wie die Statue überhaupt dargestellt ist. Eine Frau, hilflos, ohne Arme – der abgeschlagene Kopf zeigt das noch mehr.
- Ich habe auch darüber nachgedacht, dass es zwar viele Statuen von Männern gibt, aber kaum welche von Frauen! Und wenn dann so schöne, dünne, „perfekte“ Frauen. Gibt es eigentlich irgendwo auch Statuen von dicken Frauen?
- Es gibt diese Nana-Figuren. Aber die sind halt nicht realistisch; das sind keine echten Frauen, die mal berühmt waren.
- Vielleicht braucht „Mama Merkel“ mal eine Statue :D Oder welche Frau fällt Dir ein, die eine Statue verdient hat?
- Auf jeden Fall Malala Yousafzai, die Kinderrechtlerin, die sogar einen Nobelpreis bekommen hat!
- Und Rosa Parks! Das hatten wir in der Schule – sie ist Bürgerrechtlerin aus den USA und setzte sich gegen Rassismus ein.
- Das stimmt! Weiß Du was, ich finde wir sollten ein eigenes Kunstprojekt machen – nur mit Statuen von Frauen!
- Ich bin dabei! Sollen wir uns im Stadtgarten treffen und darüber reden?
- Ja! Ich bringe eine Picknickdecke mit! Bis gleich!
Flexen und Fragen: Wem gehört die Stadt?
15.09.2021 / Dorothee Annette Kreuzer
PARCOURSWALK 2
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15.09.2021 / Dorothee Annette Kreuzer
Mit den PARCOURSWALKS geben Freiburger Kunst- und Kulturarbeiter*innen sowie eine Gruppe Jugendliche einen persönlichen Blick auf die Stadt, indem sie dazu einladen, sich auf Um- und Abwege durch den Ausstellungsparcours der BfF #1 zu begeben und dabei den Spaziergang entlang der Ausstellungsorte mit eigenen Empfehlungen und Blickwinkeln verbinden. Lesen Sie hier den Text von Dortothee Annette Kreuzer.
Wir starten am PFÖRTNERHAUS und laufen über die Fabrikbrücke. Hier nächtigten oft wohnungslose Menschen, was die Stadt durch das Setzen von Steinen mittlerweile verhindert. Viele Menschen weichen seitdem auf Orte in den naheliegenden Wäldern aus. Es könnte eine Lösung sein, die Steine mit Paletten abzudecken, um so ein Plateau zu errichten. Entlang der Dreisam laufen wir weiter Richtung Innenstadt, erreichen das Kulturaggregat, das Kinder- und Jugendtheater im Marienbad und den nächsten Ausstellungsort, den KUNSTVEREIN. Seit Juli 2021 erinnert ein Gedenkstein an der Kaiserbrücke an Menschen, die aufgrund ihrer Suchterkrankung verstorben sind. Freiburg war 2020 nach Stuttgart der Ort mit den meisten an Suchterkrankung verstorbenen Menschen im Bundesland. Direkt am Gedenkstein, die Treppen aufwärts, erreichen wir die KAISERWACHE, den nächsten Ausstellungsort. Über den Holzmarkt geht es weiter zum MUSEUM FÜR NEUE KUNST. Wir nehmen einen Espresso am Fensterverkauf des Caffa da Gianni mit. Die Leute sagen, in der Schneckenvorstadt bei der Insel sei es pittoresk. Über den Ni-Una-Menos Platz mit dem Denkmal für Opfer von Femiziden laufen wir am Augustinermuseum vorbei und weiter durch die Augustinergasse auf die Schusterstraße. Wir könnten auch einen Umweg Richtung Schwabentor und Konviktstraße mit dem Haus zur schwarzen Katze (Haus des Henkers) und einen Halt beim Alten Simon einlegen. Vielleicht treffen wir hier George den Straßenmusiker. Wir biegen ab in die Eisenstraße zum MÜNSTERPLATZ 6. Vorbei am Münster suchen wir den Eingang der STADTBIBLIOTHEK FREIBURG. Von dort laufen wir über den Platz bei der neuen Synagoge und der Pflasterstub' zur Kaiser-Joseph-Straße. Den Anblick der Innenstadt kennen wir von all den anderen Innenstädten. Wir setzen uns, wechseln die Perspektive und erfahren das Gefühl der Nichtbeachtung und zugleich extremen Beobachtung durch Ordnungsbehörden. Am Europlatz können wir das sogenannte Siegesdenkmal nicht übersehen. Unter uns waren bis vor zwei Jahren mit dem White Rabbit und Artik noch Kunst- und Kulturräume beherbergt. Dem Kultursterben oder der Stadtplanung und Priorisierung einer Stadtbahnlinie geschuldet, stehen wir jetzt auf einem Steakhaus. Durch die Wasserstraße und vorbei am Kartoffelmarkt laufen wir über die Schiffstraße Richtung Rotteckring und direkt auf den sogenannten „Käfig“ zu, einem Ort des Konsums suchtkranker Menschen, direkt am Colombi-Schlößchen gelegen. Leben für die Einrichtung eines geschützten Konsumraums zu wenige Menschen in Freiburg? Wir bleiben auf der linken Straßenseite und stoppen am Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus und für Antifaschist*innen. In der Rathausgasse finde sich erst seit wenigen Wochen eine Gedenktafel der „Frauen*Orte“ der Feministischen Geschichtswerkstatt. Am Platz der alten Synagoge lassen wir die Widersprüche und ein Hauch an Urbanität des eventuell erfolgten Polizeieinsatzes der letzten Nacht auf uns wirken und bestaunen die Architektur der Universitätsbibliothek. Je nach Uhrzeit laufen wir tagsüber zum Jos Fritz Café und der gleichnamigen Buchhandlung oder gehen gegen Abend zur Kneipe Litfass oder dem Kyosk (Interym). Im Grün gelangen wird zum Grether – u.a. ein Projekt des Miethäuser Syndikats – und zur Gedenktafel für die Zwangsarbeiter*innen. Von hier aus führt der Weg zurück zur Dreisam, über die Schnewlinbrücke, in die Haslacherstraße und an der städtischen Wohnungslosenunterkunft OASE vorbei. Hier sind auch die Fritz´ Galerie und das Freizeichen, die neuen Räume des Artik e.V. Wir enden im Hof des Slow Club e.V., dem Verein für notwendige kulturelle Maßnahmen. Hier gibt es bis Herbst im Hof Arbeiten von Philip Jan Krajewski sowie im Clubraum von Verena Marie Balschus. Sollte der Slow Club noch nicht geöffnet sein, laufen wir über die Eschholzstraße zum Flight 13 Plattenladen oder trinken einen wirklich guten Kaffee im JC Café. Wagen Sie insbesondere in den Abendstunden den Weg zum Lederle-Platz, um dort noch ein Bier zu trinken. Dieses müssen Sie allerdings selbst mitbringen, denn seit der Zerschlagung des einzigen Spätkaufs in Freiburg gibt es dort keine unkommerzielle Möglichkeit des soziokulturellen Beisammenseins mehr. Was diese seltsam saubere Stadt mit Ihnen macht, das müssen Sie selbst entscheiden.
Treppen
15.09.2021 / Martha Martin-Humpert
PARCOURSWALK 1
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15.09.2021 / Martha Martin-Humpert
Mit den PARCOURSWALKS geben Freiburger Kunst- und Kulturarbeiter*innen sowie eine Gruppe Jugendliche einen persönlichen Blick auf die Stadt, indem sie dazu einladen, sich auf Um- und Abwege durch den Ausstellungsparcours der BfF #1 zu begeben und dabei den Spaziergang entlang der Ausstellungsorte mit eigenen Empfehlungen und Blickwinkeln verbinden. Lesen Sie hier den Text von Martha Martin-Humpert.
Wir starten am PFÖRTNERHÄUSCHEN, werfen einen Blick auf die Latexarbeiten von Liesl Raff und schlendern dann weiter zum Getränkemarkt direkt nebendran. Hier decken wir uns mit Erfrischungen unserer Wahl ein, aber bitte kalt, gerne alkoholisch. Ausgerüstet geht es zum ersten Aussichtsplatz, der kleinen Treppe vorne an der Schwarzwaldstraße. Hier leuchten immer wieder rote Blitze, hämisch werden die Zuschnellfahrer abends von den Gästen des gegenüberliegenden Swamp bejohlt. Doch wir halten uns bei der Schadenfreude nicht lange auf. Der Weg führt weiter durch die tristeste Unterführung Freiburgs durch die Wiehre zum KOMMUNALES KINO. Michel Auder und Michael Stickrod in Kollaboration mit jungen Freiburger Kunstschaffenden. Auf den Eingangstreppen öffnen wir die nächste Flasche und beobachten das beschauliche Wiehretreiben, im Hintergrund hört man vielleicht das sanfte Ping und Pong von den Tischtennisplatten oder beruhigendes Klacken der Boulekugeln. Schon leicht beschwipst ziehen wir weiter durch das Altbauviertel in Richtung Johanneskirche. Auch hier gönnen wir unseren müden Füßen etwas Rast. Die Stufen sind breit und einladend, der Sandstein über uns strahlt erhabene Ruhe aus – ein guter Kontrast zur hektischen Kreuzung vor uns. Tagsüber eilen hier die Massen zum Studierendenwerk, abends treffen sich Nachtgestalten auf dem Nachhauseweg. Uns zieht es aber nun weiter in Richtung Stadt. Wir überqueren den Fluss und stoßen auf das ehemalige Toilettenhäuschen an der KAISERWACHE, drinnen leuchten die Arbeiten von Niklas Goldbach. Geist und Körper in Einheit, wir begeben uns ans Wasser, die Füße in der Dreisam lassen wir die Eindrücke von hormongesteuerten Jugendlichen auf den Wiesen und die Klientel des Extrablatts auf uns wirken. Schön, wie das alles nebeneinander existiert, ohne, dass man selbst Teil davon sein muss. Jetzt ist es Zeit, sich in die Innenstadt zu wagen. Die Kaiser Joseph-Straße hoch, Genuss und Konsum verdichten sich, je näher wir dem Zentrum kommen. Doch kurz vor knapp biegen wir ab in die Grünwälderstraße, wir müssen zu den Treppen des Augustinerplatz. Niemals war Sitzen stadtpolitischer als in den hartumkämpften Nächten vor einigen Jahren. Mittlerweile ist es hier leerer als früher, doch Bierlieferant Pischko taucht trotzdem noch zuverlässig auf. Die letzten beiden Stationen unseres Weges liegen ganz in der Nähe, das MUSEUM FÜR NEUE KUNST und der KUNSTVEREIN. Wir versuchen noch, die Werke gebührend wahrzunehmen, doch sind schon leicht duselig von optischer Erschöpfung und dem leichten Rausch. Wir sehnen uns nach Erfrischung und ja sie ist nah: Wir taumeln zur Fischtreppe, ergeben uns lachsgleich dem Strom und lassen all unsere Gedanken fortspülen. Stufe um Stufe verschwimmen die Bilder des Tages im sanften Säuseln der Dreisam.
Die Autor*innen des Bust Talk–Illumina
16.07.2021 / BfF #1
Wir stellen die Autor*innen des BUST TALK–ILLUMINA vor, die gemeinsam mit Thomas Geiger den Dialog mit der Statue entwickelt haben.
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16.07.2021 / BfF #1
Anfang Mai traf sich Thomas Geiger mit Oliver Matthes, Sévérine Kpoti, Dieterich Roeschmann und Birgit Heidtke, um die gemeinsame Entwicklung des Bust Talk–Illumina zu beginnen. Im Laufe von mehreren Wochen entstand durch fortwährenden Austausch zwischen den Teilnehmenden und dem Künstler ein Dialog mit der Skulptur, der aus unterschiedlichen Stimmen zusammengesetzt ist. Dieser wird am 23. und 24. Juli, jeweils um 17 Uhr im Stadtgarten Freiburg der Öffentlichkeit präsentiert. Hier stellen wir die Beteiligten mit kurzen Textausschnitten aus dem Bust Talk vor:
„Restaurieren heißt, etwas in seinen ursprünglichen Zustand zu bringen. Ich halte von dieser Idee nicht viel, denn jeder Kopf ist ein Unikat, und eine Reproduktion wird nie so gut sein wie das Original.“
Oliver Matthes (Redakteur bei der Strassenzeitung FREIeBÜRGER)
„Um ehrlich zu sein, ich war schon immer kopflos! Es ist eine Charaktereigenschaft von mir, die sich in Form einer gewissen Impulsivität und sorglosen Spontanität zeigt.“
Sévérine Kpoti (Fotografin und Mitglied von Here And Black)
„Ich finde, es ist ein schönes Privileg, sich den Menschen einfach in den Weg stellen zu dürfen, Raum zu verdrängen.“
Dietrich Roeschmann (Journalist und Mitglied der Kunstkommission der Stadt Freiburg)
„Sieg, Freiheit, Jahreszeit: wir verkörpern und bleiben wesenlos. Unsere Schöpfer sehen uns ohne (menschliche) Eigenschaften.“
Birgit Heidtke (Historikerin und Mitglied der feministischen Geschichtswerkstatt)
Ankündigung der Künstler*innen und Kooperationen
16.06.2021 / BfF #1
Wir freuen uns, die beteiligten Künstler*innen und Kooperationen der BfF #1 bekanntzugeben!
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16.06.2021 / BfF #1
BETEILIGTE KÜNSTLER*INNEN UND BEITRAGENDE
Michel Auder mit Michael Stickrod in Kollaboration mit Julius Martin-Humpert, Maristella Witt, Ilja Zaharov und Franziska Rist; Patrizia Bach; Patricia Esquivias; Rahima Gambo und Kollaborierende; Thomas Geiger in Kollaboration mit Birgit Heidtke, Sévérine Kpoti, Oliver Matthes und Dietrich Roeschmann; Niklas Goldbach; Philipp Gufler; Markus Hanakam & Roswitha Schuller; Belinda Kazeem-Kamiński; Vika Kirchenbauer; Sarah Lehnerer mit Jackie Grassmann und Inka Meißner und Gastvorträgen von Keren Cytter und Johanna Hedva; Luiza Margan; Kriz Olbricht; Liesl Raff; Andreas von Ow; Young Boy Dancing Group; und weitere...
BIENNALE FÜR FREIBURG KOOPERIERT MIT FOLGENDEN ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN:
Dear White People Festival, DELPHI_space, Deutsches Tagebucharchiv, Feministische Geschichtswerkstatt, Here & Black, Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG), Kunstverein Freiburg, Kunstkommission der Stadt Freiburg, Literaturhaus Freiburg, Macromedia Hochschule Freiburg, Museum für Neue Kunst, Pförtnerhaus, Stadtbibliothek Freiburg, Strassenzeitung FREIeBÜRGER.
BfF #1 spielt sich in zwei Phasen ab: zuerst als Studioprogramm, das Anfang Mai gestartet ist und bis Ende August andauert, sowie in einem Ausstellungsparcours, der am 10. September eröffnet und bis zum 3. Oktober an verschiedenen Orten in Freiburg besucht werden kann.
Konzipiert als viermonatige Produktions-, Diskurs- und Vermittlungsphase, legt das Studioprogramm den Grundstein für den anschließenden Ausstellungsparcours. Zwischen Mai und August besuchen die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler die Stadt, geben Einblicke in ihre Produktionsprozesse, organisieren Workshops und entwickeln während ihres Aufenthalts neue Arbeiten, viele davon in Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen und lokalen Akteur*innen.
Im September entfaltet sich in ganz Freiburg der Ausstellungsparcours mit einem reichen Programm aus Installationen, Videoarbeiten, Malerei, Fotografie und Performance. Verteilt auf Kunstinstitutionen, Off-Spaces und andere Orte, führt der Parcours die Besucher*innen durch die Themen und verschiedenen künstlerischen Herangehensweisen des Studioprogramms und verweist diese ephemeren Prozesse zurück in den Bereich der Ausstellung. Mehr als eine bloße Präsentation von Endergebnissen eröffnet die Ausstellung Einblicke in Netzwerke künstlerischer Zusammenarbeit, verknüpft die verschiedenen thematischen Stränge und bietet potentielle Ansatzpunkte für zukünftige Editionen der Biennale für Freiburg.
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Das Verhältnis von ‘Biennale’, ‘für’ und ‘Freiburg’ ausgestalten
12.04.2021 / Kuratorischer Beirat der BfF #1
Für die erste Ausgabe der Biennale für Freiburg wurden wir eingeladen, den Kuratorischen Beirat, das Curatorial Advisory Board, zu bilden. Wir sind Aziza Harmel, Christoph Chwatal, Fanny Hauser, Fritz Laszlo Weber und Magdalena Stöger.
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12.04.2021 / Kuratorischer Beirat der BfF #1
Dieser Text basiert auf einem Transkript der Vorstellung des Kuratorischen Beirats, die im Rahmen der “Ortsbegehung” am 24. September 2020 in hybrider Form stattfand.
Für die erste Ausgabe der Biennale für Freiburg wurden wir eingeladen, den Kuratorischen Beirat, das Curatorial Advisory Board, zu bilden. Wir sind Aziza Harmel, Christoph Chwatal, Fanny Hauser, Fritz Laszlo Weber und Magdalena Stöger.
Als Künstler*innen, Kurator*innen, Kunst- und Kulturwissenschaftler*innen haben wir in Institutionen gearbeitet, eigene Projekte umgesetzt, Kollektive und Projekträume gegründet, Kunstkritiken veröffentlicht, Praktika absolviert und an zahlreichen Tresen und Kassen gejobbt, um uns (und manchmal auch unsere prekären Tätigkeiten) zu finanzieren.
Als Gruppe bilden wir eine Art Resonanzraum für kuratorische, künstlerische und wissenschaftliche Fragestellungen, in dem sich unsere Expertisen, Interessen und Perspektiven zu einem Mosaik zusammensetzen. Auf diese Weise begleitet der Beirat den Entwicklungsprozess der Biennale und steht dem künstlerischen Leiter, Leon Hösl, beratend und unterstützend zur Seite. Gespräche im physischen und digitalen Raum verknüpfen unsere fragmentarischen Realitäten.
Der Beirat trägt in seiner Form und Ausgestaltung dazu bei, verschiedene Perspektiven auf die Entwicklung einer Biennale für Freiburg zu versammeln. Das Wort ‘für’ ist, wie auch das Wort ‘bei’, eine Präposition, ein Verhältniswort. Es steht noch vor dem eigentlichen Ausdruck – wie auch wir noch vor dem eigentlichen Ereignis, der Biennale für Freiburg 2021, stehen. Präpositionen können lokale, temporale oder kausale Bedeutungen tragen oder zur Markierung grammatischer Verhältnisse dienen. Als Beirat sehen wir unsere Aufgabe darin, die Biennale dabei zu begleiten, das Verhältnis von ‘Biennale’, ‘für’ und ‘Freiburg’ auszugestalten.
Verhältnisse sind dabei häufig von unsteter Beschaffenheit. Sie wandeln sich. Sie aktualisieren, erneuern und verändern sich. Gleichzeitig basiert ein Verhältnis immer auf dem, was gewesen ist. Es baut darauf auf. Den Prozess des Begleitens und unsere Gespräche verstehen wir dabei als eine Art Werkzeug, neue Beziehungen und Verhältnisse herzustellen. So begleiten und reflektieren wir die prozesshaften und ortsspezifischen Arbeitsstrukturen der Biennale. Fragmente unseres Austauschs nehmen nun in Freiburg Form an.
Von Hand gekehrt, von Füßen poliert
27.12.2020 / Marius Schwarz
Die Pflastertradition besteht in Freiburg seit dem 19. Jahrhundert. Stein für Stein wurden Plätze, Straßen und Gehwege der Stadt in „wilden“ oder geordneten Mustern verlegt und teilweise mit Ornamenten dekoriert und umrandet.
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27.12.2020 / Marius Schwarz
Im Zuge der Modernisierung investierte die Stadt Freiburg 2012 in eine Kolonne hybrider Kehrmaschinen. Kurz nach ihrer Einführung stellte sich heraus, dass die Maschinen neben Müll und Dreck auch einen Großteil des Sandes aus den Fugen des historischen Straßenpflasters saugen. Infolgedessen musste das Tiefbauamt die Straßen 5-6 Mal im Jahr „nachsanden“, was enorme Zusatzkosten verursachte. Wie so oft wenn Vergangenheit und Fortschritt aufeinandertreffen, musste ein Kompromiss gefunden werden. Die Straßenfeger*innen wurden also dazu aufgefordert, ihre nagelneuen Kehrmaschinen auf den historischen Pflasterflächen abzuschalten und dort stattdessen wieder mit dem Handbesen zu kehren.
Die Pflastertradition besteht in Freiburg seit dem 19. Jahrhundert. Stein für Stein wurden Plätze, Straßen und Gehwege der Stadt in „wilden“ oder geordneten Mustern verlegt und teilweiße mit Ornamenten dekoriert und umrandet. Die Kieselsteine für das Pflaster wurden bei tiefem Wasserstand im Flussbett des Rheins bei Breisach gesammelt, wo sie über Jahrhunderte angespült wurden. Von den Schweizer Alpen kommend, durch den Bodensee hindurch und den Rhein herunterfließend hat das Wasser die Kiesel zu den charakteristisch flachen Ellipsen geschliffen. Durch verschiedene Mineralien ergeben sich die vielfältigen Farbschattierungen der Steine, was sie zu einem perfekten Material für komplexe Entwürfe macht.
Neben Straßen und Plätzen wurden die Pflaster*innen auch mit der Anfertigung von Mosaiken beauftragt, die auf bestimmte Sehenswürdigkeiten der Stadt hinweisen. Manche ergänzen öffentliche Gebäuden mit einem Wappen, stellen die Logos von Geschäften dar oder verweisen auf das in einem bestimmten Laden ausgeübte Handwerk. Andere geben das Baujahr der Pflasterung an oder sind rein dekorativ. Der Legende nach war Alois Krems (1825-1881) der erste Pflasterer, der solche Zeichen aus Stein fertigte. Er soll die Technik während seiner Wanderschaft in Südfrankreich aufgegriffen haben. Die Inschrift „1899“ in der Gerbergasse ist das älteste noch erhaltene Beispiel und das einzige in der Stadt, das unter Denkmalschutz steht. Von Anfang an wurde das Pflastern offiziell weder als Kunst noch als Architektur gehandhabt, es ist auch heute noch eine Grauzone und Entwurf und Ausführung liegen in der alleinigen Verantwortung der jeweiligen Pflasterer*innen.
Als Freiburg 1944 von der Royal Air Force bombardiert wurde, kam die Pflastertradition zu einem abrupten Ende. 80% der Gebäude, sowie 38km Straße waren zerstört. Zum Glück wurde ein Großteil der Trümmer erhalten und gelagert. Währen andere Städte in den Jahren nach dem Krieg begannen, ihre zerstörten Straßen mit Betonplatten oder Asphalt zu erneuern, entschied sich Freiburg seine kostbare Pflastertradition wieder zu beleben und dafür die eingelagerten Steine zu verwenden.
Heute fällt die Straßenarbeit in den Aufgabenbereich des Tiefbauamts und dessen Mitarbeiter*innen. Auf ihrem Gelände außerhalb der Stadt lagern Steine nach Größe und Farben sortiert, von denen manche noch aus dem Krieg stammen. Mittlerweile sind die Kiesbestände an den Rheinufern in Breisach fast erschöpft und die gelagerten Steine daher besonders kostbar. Mit einer eigenen Maßeinheit werden die Steine vom Tiefbauamt in drei Größen kategorisiert. Die Größenangaben beziehen sich dabei auf die Quadratmeterzahl, die ein*e Pflasterer*in an einem Arbeitstage verlegen kann. Kiesel der Größe 3 entsprechen circa drei Quadratmeter pro Tag, Größe 1 hingegen nur etwa einen Quadratmeter. Mit dieser Einheit werden die Kosten und Löhne der Pflasterarbeiten vom Tiefbauamt sachgerecht berechnet.
Während die Mosaike früher direkt auf der Straße frei in ein Sandbett gelegt wurden, werden sie heute während der Wintermonate oder bei schlechtem Wetter in der Werkstatt vorbereitet. Im täglichen Geschäft handelt es sich bei den Mosaikarbeiten hauptsächlich um Restaurationen. Ab und zu werden auch neue Mosaike beauftragt. Von Geschäftsleuten, die auf ihre Läden aufmerksam machen wollen, oder von der Stadt selbst, zum Beispiel zur Einweihung neuer Partnerstädte. Wenn ein Entwurf vorliegt, entwickeln die Pflasterer*innen detaillierte Pläne für deren Umsetzung in Stein. Wenn kein Entwurf besteht, entwickeln sie aus den Gesprächen mit den Kunden einen eigenen Entwurf. Mit Hilfe von Holzschablonen werden die Mosaike in großen Stahlpfannen zusammengesetzt. Stück für Stück werden die Schablonen herausgenommen und mit Steinen gefüllt. Am Ende werden die fertigen Mosaikpfannen in einem Stück in die Straße gesetzt.
Wenn die Arbeit an einem Mosaik abgeschlossen ist, kommen die Schablonen ins Lager. Auf der Straße wird das neue Mosaik von Hand gekehrt, sodass sich in den Fugen das Moos absetzen kann, um den Sand auszuhärten. Über die Jahre hinweg werden die Schuhe tausender Fußgänger*innen die Steine polieren und ihnen so ihren charakteristischen matten Glanz verleihen.
Die meisten Menschen werden über das Pflaster laufen ohne ihm viel Aufmerksamkeit zu schenken. Nur manchmal wird jemand kurz stehen bleiben und die subtile Anordnung der Steine bemerken oder sich über die Entstehung eines Entwurfs wundern. Nach und nach kann einem das Pflaster mehr über seine Geschichte preisgeben: die lange Reise der Kiesel; die Zerstörung des Kriegs und die Mühen des Wiederaufbaus; die unvorhersehbaren Kompromisse, die nötig sind, um Traditionen in modernen Zeiten zu erhalten; die Hingabe, das Können und die Kreativität der anonymen Pflasterer*innen.
Difficult Times
16.12.2020 / Aziza Harmel
Als Leon Hösl, künstlerischer Leiter der Biennale für Freiburg, mir von der neuen grafischen Identität der Biennale erzählte und erwähnte, dass er die Verwendung der Schriftart „Difficult Times“ für die Gestaltung in Betracht zog, befanden wir alle uns im Zentrum schwieriger Zeiten: im Lockdown, während draußen eine weltweite Pandemie grassierte.
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16.12.2020 / Aziza Harmel
Als Leon Hösl, künstlerischer Leiter der Biennale für Freiburg, mir von der neuen grafischen Identität der Biennale erzählte und erwähnte, dass er die Verwendung der Schriftart „Difficult Times“ für die Gestaltung in Betracht zog, befanden wir alle uns im Zentrum schwieriger Zeiten: im Lockdown, während draußen eine weltweite Pandemie grassierte. Die Schrift ist für den Lauftext vorgesehen, der den Hauptinhalt eines Buches, einer Zeitschrift, einer Webseite oder eines anderen gedruckten oder digitalen Werkes enthält. Normalerweise ist es der längste Teil eines Textes und muss daher möglichst angenehm zu lesen sein.
Der Name der Schriftart, „Difficult Times“, hat mich direkt angesprochen, allerdings musste ich mich doch fragen: Haben wir in schwierigen Zeiten tatsächlich die Ressourcen, um Schriften zu entwickeln? Starten wir in schwierigen Zeiten wirklich eine neue Biennale? Die Antwort auf diese Fragen lautet wahrscheinlich „Nein“… Oder: Wenn wir all das tun können, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Zeiten nicht wirklich schwierig sind? Wie dem auch sei, wir haben uns trotzdem dafür entschieden, uns die Zeit für all diese Dinge zu nehmen. Selbst wenn die Welt gerade auf eine unendliche Zeitlupen-Apokalypse warten sollte. Denn hat nicht genau jetzt jede*r Einzelne die Aufgabe, einen individuellen Weg zu finden, um das Warten etwas erträglicher zu machen? Was auch immer wir heute tun, es wird unweigerlich zu einem Zeugnis dieser seltsamen und schwierigen Zeit.
Ob es der richtige Moment war, um „Difficult Times“ zu kreieren, ist hier auch gar nicht unser zentrales Thema. Denn wie sich herausstellt, wurde die Schrift bereits 2012 entworfen. Die neue Bedeutung hat der Name also erst im Kontext der Gegenwart erhalten. Die Faszination für die Schrift ging für mich aber von Anfang an weit über den Titel hinaus. Es hat fast etwas Erheiterndes, dass das Schriftbild auf „Times New Roman“ basiert, die als eine der am besten lesbaren Schriften gilt. Die Designer haben die ursprüngliche Optik leicht verschoben und die Reihenfolge der angeblich perfekt ausbalancierten Buchstabenformen so effektiv gestört.
Die vorherrschende Verwendung bestimmter Serifenschriften über ein halbes Jahrtausend hinweg könnte der Grund sein, warum wir davon ausgehen, dass sie die am besten lesbaren sind – obwohl bisher keine wissenschaftliche Untersuchung bewiesen hat, dass bestimmte Typos tatsächlich leserlicher sind als andere. Anders gesagt: Die Idee des perfekten Buchstabens ist eine konditionierte Konstruktion, um Harmonie innerhalb des westlichen Kanons herzustellen.
Das Unbehagen, das man beim Lesen eines mit „Difficult Times“ geschriebenen Textes verspüren mag, hängt mit den Gewohnheiten und der Ästhetik bei der Verwendung von Typografie zusammen, die den Lesevorgang stetig beeinflussen. Es ist der kognitive Aspekt der Typografie in der Aktivität des Lesens. Genau diesen kognitiven Aspekt versuchen Ronja Andersen und Marius Schwarz zu „teasen“. Ich benutze das Verb „teasen“, weil die Designer die kleinen Details der Schriftart mit feinster Subtilität verzerrt haben. Der Kanon als solcher ist immer noch präsent – latent, und doch hat sich etwas verändert. Und weil Form aus Ideologie und Rhythmus besteht, würden wir niemals am selben Ort landen, selbst wenn wir zu Times New Roman zurückkehren würden. So ist alles eine Frage der Zeit.
Auszüge von „A Walk“ von Rahima Gambo
04.11.2020 / BfF #1
„Can we walk as a response to this?“
Dies ist eine der ersten Fragen, die Rahima Gambo in ihrem Video A Walk stellt.
Auszüge von „A Walk“ von Rahima Gambo
04.11.2020 / BfF #1
Einleitung von Aziza Harmel
Can we walk as a response to this?
Das ist eine der ersten Fragen, die Rahima Gambo in ihrem Video „A Walk“ stellt. Für die Künstlerin ist das Gehen ein narrativer Akt und so sammelt sie auf ihren Spaziergänge Objekte, die sie in ihre Zeichnungen und Installationen integriert. Ihre Praxis des Gehens entwickelte sie bei der Untersuchung der ansteigenden Selbstmordattentaten im Nordosten Nigerias. Unsicher, wie sie diesem Entsetzen begegnen soll, begibt sie sich auf den Weg, um im Gehen die Informationen zu sammeln, die sich unter der Oberfläche dessen befinden, was sie mit ihren eigenen Augen wahrnehmen kann. Dabei wird der Weg zu einem Ort der Erinnerung und des Wissens, gleichzeitig verschiebt sich der Fokus und verschiedene Wahrnehmungen verschmelzen miteinander. Das Gehen umfasst unterschiedliche räumliche und zeitliche Wissenssysteme und ist für die Künstlerin ein Versuch der Heilung, indem Auseinandergerissenes und vereinzeltes Material zusammen findet. Auch in ihren Collagen, Assemblagen, Fotografien und Videostills fühlt der Betrachter diesem Prozess des Neuentstehens aus dem Alten nach, das sich doch essenziell von Bestehendem unterscheidet: „Not a woman, not a plant, not a picture, not a drawing, not a body, not a landscape, not a photograph, not a sculpture, not stillness and not movement.“
Wenn Information Kontrolle bedeutet,
was ist dann das Gegenteil davon?
Die zwei Zeilen lesen sich wie ein Rätsel.
In der tiefen Stille, der tiefen Besinnung,
in den tiefen Wassern.
Wo aller Klang gedämpft ist und die Sicht verschwimmt.
Können wir das begreifen?
Können wir wandern, ohne unser Ziel zu kennen?
Ohne bekannten Ausgang oder ein Ende in Sicht?
Können wir wandern, als Antwort darauf?
Hier
‚Hier war es, wo sie es hochgehen lies‘, sagte ein Mann.
Ich schaue herunter und bemerke einige Fetzen zerrissenen Stoffs,
eins geworden mit Erde und zerbrochenen Stöcken.
Und ich schaute weiter in die Ferne, dahin wo sich das rötliche, braune Land mit dem Himmel trifft.
Wie wickelt man Sprache um das Unerklärliche, das Ungewisse und Schreckliche?
Wenn wir mit dem Unverständlichen konfrontiert werden, stolpert die Sprache vor Angst.
Die Werkzeuge des Deutens, des Bezeugens und des Dokumentierens genügen dann nicht mehr. In diesen Momenten sollten wir keine Phrasen mehr formulieren, sondern vielleicht auf das Inkohärente mit Inkohärenz zugehen, auf das Negative mit Negativität.
Ich habe eine Erinnerung, es ist nicht meine eigene. Es ist die meiner Mutter. Sie ist acht und läuft den Weg von ihrem Dorf ‚Wurode‘ zur Schule. Sie ist ein kleines Kind, kleiner als die anderen Kinder. Während sie geht, wirbelt sie Sand mit ihren Füßen auf. Die Haut an ihren Füßen ist rissig. Winzige Steine schneiden in die weichen Stellen, die bereits taub sind von dem langen, weiten Marsch.
Während ich gehe, denke ich nach. Darüber wie ich einen Bruch richten, einen Schnitt flicken und all die Teile wieder zusammenfügen kann, von dem, was hier in der Landschaft fragmentiert und explodiert ist.
Flucht
Flucht ist die weite Sicht eines Ortes
Flucht ist auch ein anderes Wort für einen Blumenstil der sich von der Erdoberfläche empor hebt.
Flucht ist ein Schaft oder der Teil eines Tiers wie ein Fühler, eine Feder.
Flucht
F-lucht
Fluch-t
fliehen
Fliehen vor den begrenzenden Einschränkungen eines bestimmten Ortes, einer bestimmten Umgebung.
Fliehen vor Verletzung und Trauma.
Trauma, das uns einfriert und erstarren lässt.
Trauma, das uns vorschnell nach einer Sprache greifen lässt,
die dicke Eisschichten über der Leere des Unwissens auftürmt,
wie jemand mal gesagt hat.
Wird das Eis durchbrochen, erkennt man die Zweidimensionalität.
Ich musste mich bewegen.
Ich musste gehen.
Mit jedem Schritt lehne ich mich gegen etwas, dass ich zunächst für das Nichts hielt, doch bei näherer Betrachtung öffnete sich ein dichter und rasender Raum voll Information, nicht Informationen die man einfach als solche erkennt. Sondern etwas, dass sich unter der Oberfläche dessen, was ich mit meinen Augen erkennen konnte, befand.
Während ich ging, lernte ich, dass man sich der Wunde nicht direkt nähern sollte.
Man sollte wandern, um sie herum wandern, sich umdrehen und sich wieder entfernen, eine Zeit lang hinaus gehen, dann auf dem Absatz umdrehen und hineingehen.
Drinnen, das ist wo echte Heilung liegt.
In der Innenwelt und der inneren Landschaft.
Was ist Heilung, außer das Zusammenfügung von Dingen?
Ja, geh auf einer geraden Linie.
Und nach einer Weile, verlass den Pfad und verlass dann auch diesen neuen Weg wieder.
Geh, bis du auseinanderbrichst und jegliche Grenzen zwischen Innen und Außen erschütterst.
Löse dich an deinen Rändern ein wenig auf und verstreue dich selbst als einen Haufen ordentlich geschnittenen Rasen.
Dann beginne langsam, die Einzelteile wieder zusammen zu fügen.
Doch dieses Mal werden die Teile sich so zusammensetzen, wie sie wirklich passen, anders, ganz anders als sie vorher waren.
Unzusammenhängend und unangenehm und inkohärent.
Ja, man fügt sich wieder zusammen.
Aber nicht so, wie es einmal war.
Nicht als Frau, nicht als Pflanze, nicht als Bild, nicht als Zeichnung, nicht als Körper, nicht als Landschaft, nicht als Fotografie, nicht als Skulptur, nicht als Stille, und nicht als Bewegung.
Ortsbegehung
24.09.2020 / BfF #1
Ortsbegehung und erste öffentliche Ankündigung der Biennale für Freiburg #1
… MehrOrtsbegehung
24.09.2020 / BfF #1
Ortsbegehung und erste öffentliche Ankündigung der Biennale für Freiburg #1
Bei der Ortsbegehung im Stadtpark wurde erstmals das neue Format der Biennale für Freiburg und das Konzept der ersten Ausgabe vorgestellt – ein erster Startschuss für BfF #1, die kommendes Jahr stattfinden wird: zwischen Mai und Juli 2021 mit dem Studioprogramm und im September 2021 mit einer öffentlichen Ausstellung an verschiedenen Orten in Freiburg und einem verdichteten Veranstaltungsprogramm. Vielen Dank an alle, die im September trotz teilweise schwierigen Wetterbedingungen zur Ortsbegehung gekommen sind!
Heinrich Dietz, Direktor des Kunstvereins Freiburg und Vorsitzender des Vereins Perspektiven für Kunst in Freiburg e.V., der die BfF ausrichtet, rekapituliert, wie beginnend mit einer Initiative Freiburger Künstler*innen und Kulturschaffenden die Entscheidung getroffen wurde, eine Biennale auszurichten. Diese Initiative entstand nach der Schließung der Außenstelle der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe im Jahr 2017 und erarbeitete gemeinsam ein Kunstkonzept, das mit Unterstützung des ersten Bürgermeisters Ulrich von Kirchbach in den städtischen Doppelhaushalt aufgenommen wurde. Einig war man sich in der Arbeitsgruppe darüber, dass es, obwohl kein Ersatz, als Reaktion auf die Schließung der Außenstelle neue Impulse für die zeitgenössische Kunst in Freiburg benötigt und diese durch das Format einer temporären Ausstellung, die auch im öffentlichen Raum stattfindet, erzeugt werden können. Aus der Initiative entstand eine kleinere Arbeitsgruppe, die heute den Vorstand des ausrichtenden Vereins bildet, bestehend aus Heidi Brunnschweiler, Heinrich Dietz, Julia Galandi-Pascual und Ben Hübsch. Im nächsten Schritt wurde Leon Hösl als Künstlerischer Leiter mit der Konzeption und Umsetzung des neuen Formats beauftragt.
Heinrich Dietz: „Wenn ich mir das stimmige Konzept für die erste Ausgabe der Biennale für Freiburg anschaue, bin ich überzeugt, dass sie Impulse setzten wird, die sowohl in die Stadt hinein als auch über die Stadt hinauswirken werden. Denn eins ist sicher: mit der ersten Ausgabe der Biennale wird ein neuer und wichtiger Schritt, aber hoffentlich nicht der einzige Schritt getan, um das kulturelle Leben der Stadt nachhaltig mit zeitgenössischer Kunst zu bereichern.“
Für Leon Hösl, Künstlerischer Leiter der Biennale für Freiburg, beinhaltet der Namen des neuen Formats bereits einige Anhaltspunkte für die programmatische Ausrichtung:
„Die Bezeichnung als ‚Biennale‘ steht für eine Kontinuität, durch die, anders als mit kurzfristigen Projekten, eine regelmäßige Auseinandersetzung mit Kunst möglich ist. Es geht nicht darum, den Vergleich mit den größten Biennalen der Welt zu suchen, aber den Rahmen zu schaffen, um immer wieder, aber auch immer wieder anders, künstlerisch auf Freiburg reagieren zu können. Das für impliziert, dass die Stadt Freiburg thematisch die Ausrichtung der jeweiligen Ausstellungen der Biennale bestimmen soll.
‚Für Freiburg‘ ist also auch als Angebot zu verstehen – ein Angebot sich aus der Außenperspektive Gedanken über den lokalen Kontext zu machen und auf diesen zu reagieren; dabei Bedürfnisse festzustellen und auf diese einzugehen, aber auch auf Probleme hinzuweisen und diese direkt anzusprechen. Diese Beziehung zwischen der Biennale für Freiburg und der Stadt Freiburg, bringt das Akronym BfF eigentlich bereits auf den Punkt - BFF, BEST FRIENDS FOREVER.“
Stellvertretend für den kuratorischen Beirat, der an der Konzeption und Programmierung der Biennale für Freiburg beratend beteiligt ist, stellen Christoph Chwatal und Fritz Laszlo Weber die Arbeitsweise der Gruppe vor. Aufgrund aktueller Reisebestimmungen konnten die drei anderen Mitglieder, Aziza Harmel, Fanny Hauser und Magdalena Stöger, nicht anwesend sein, waren aber dennoch bei der Veranstaltung zu hören.
Auszug aus dem Statement des kuratorischen Beirats: „Der Beirat trägt in seiner Form und Ausgestaltung dazu bei, verschiedene Perspektiven auf die Entwicklung einer Biennale für Freiburg zu versammeln. Das Wort ‚für‘ ist, wie auch das Wort ‚bei‘, eine Präposition, ein Verhältniswort. Es steht noch vor dem eigentlichen Ausdruck – wie auch wir noch vor dem eigentlichen Ereignis, der Biennale für Freiburg 2021, stehen. Präpositionen können lokale, temporale oder kausale Bedeutungen tragen oder zur Markierung grammatischer Verhältnisse dienen. Als Beirat sehen wir unsere Aufgabe darin, die Biennale dabei zu begleiten, das Verhältnis von ‚Biennale‘, ‚für‘ und ‚Freiburg‘ auszugestalten.
Verhältnisse sind dabei häufig von unsteter Beschaffenheit. Sie wandeln sich. Sie aktualisieren, erneuern und verändern sich. Gleichzeitig basiert ein Verhältnis immer auf dem, was gewesen ist. Es baut darauf auf. Den Prozess des Begleitens und unsere Gespräche verstehen wir dabei als eine Art Werkzeug, neue Beziehungen und Verhältnisse aufzubauen und zu formen. Aus vormals informellen Momenten des Austauschs entwickeln sich nun neue Arbeitsstrukturen, die wir offenlegen möchten. So begleiten und reflektieren wir die prozesshaften und ortsspezifischen Arbeitsweisen der Biennale.“
Das Konzept für die BfF #1 nimmt, angestoßen durch die erwähnte Schließung der Außenstelle der Karlsruher Akademie für bildende Kunst, das Studio zum Ausgangspunkt. Dabei wird es darum gehen, Prozesse und Handlungen, die üblicherweise im Studio eines Künstlers oder einer Künstlerin stattfinden, in andere Kontexte und Situationen zu übertragen. Nachdem die Ateliers der Kunstakademie nicht mehr existieren, müssen neue Orte gefunden werden, an denen Kunst produziert, diskutiert und gelehrt werden kann. Solche Orte können auch im öffentlichen Raum zu finden sein und eine Methode, sich diesen zu erschließen ist das Gehen. Das Gehen, frei nach Lucius Burckhardt, als Methode, um einzelne Eindrücke in eine filmische Abfolge zu übersetzen, durch die bewegliche Stadtbilder erzeugt werden, die zu einem tieferen Verständnis der Umgebung führen können.
Oder, wie für die Künstlerin und gelernte Journalistin Rahima Gambo, das Gehen als einer Suche nach anderen Formen des Berichtens, das nicht versucht, die subjektiven Erfahrungen von Ereignissen in Fakten zu übersetzen. Ihr fünzehnminütiger Film A Walk wurde unter dem Dach des Musikpavillons gezeigt, darin wird das Gehen zu einer Suche nach einer anderen Form von Wissen und dessen Weitergabe.
Exemplarisch für diesen Zugang wurde bei der Ortsbegehung der Stadtpark im Nordosten der Freiburger Altstadt begangen. Dabei fielen besonders die vielen Denkmäler und Statuen auf, die in diesem Park positioniert wurden – häufig an anderen Orten abgebaut und hier, fast wie in einem Museum, abgestellt.
Ein Denkmal gedenkt der gefallenen Soldaten verschiedener badischer Regimente im ersten und zweiten Weltkrieg: eine gigantische Säule, mit aufgesetztem Helm, auch Hutständer genannt, Inbegriff heroischer Männlichkeit. Der eigentliche Held des Parks fehlt – der Erpel im Teich, der noch vor dem offiziellen Alarm vor Fliegerangriffen auf die Stadt warnte. Sein Schnabel war beschädigt und wird nun sorgsam restauriert. Mitten in den Rosen leuchtet in reinem Weiß eine Marmorstele. Eine Sonnenuhr, mit weiblichem Körper, die Arme, kaum erkennbar, wie gefesselt durch ihr Kleid. Seit einigen Jahren fragmentiert ist sie nachts Vandalismus zum Opfer gefallen und hat ihren Kopf verloren, der noch immer fehlt. Ist sie neidisch auf den Erpel, der so fürsorglich behandelt wird? Soll ihr Kopf auch restauriert werden, und wenn ja wie? Eine weitere Lücke in diesem Park, in dem so viele Objekte stehen, die Erinnerungen verkörpern, ist die Rede von Rosa Luxemburg. Diese hat sie im Jahr 1914 an diesem Ort an tausenden Freiburger*innen gerichtet – an sie gibt es keine materielle Form der Erinnerung – keinen Hutständer oder einen Erpel aus Stein. Bloß ein Sticker auf dem Seifenspender der öffentlichen Toilette. Wie könnte diese Geschichte trotzdem zu einem Teil dieses Ortes werden?
Der letzte Halt der Ortsbegehung führt die Gruppe in die wahrscheinlich kleinste Straße Freiburgs. Die leicht zu übersehende Präsenzgasse führt in Richtung des Münsterplatzes. Die Präsenzgasse dient nun als erster Ort, an dem Plakate die BfF #1 ankündigen. Wenn Sie sich für unseren Newsletter anmelden und diesen Blog verfolgen, erfahren Sie hier bald mehr über die Entstehung des Grafikdesigns und der eigens entwickelten Schrift Difficult Times, die von Ronja Andersen und Marius Schwarz entwickelt wurden.
Fotografien: Marc Doradzillo